Leitsatz
Ob die außerhalb des Beschäftigungsortes liegende Wohnung eines ledigen Arbeitnehmers als dessen Lebensmittelpunkt anzusehen ist und deshalb seinen Hausstand darstellt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.
Sachverhalt
Die Klägerin war Eigentümerin eines rund 100 Jahre alten Hauses an ihrem Heimatort, welches sie für rund 100.000 Euro hatte sanieren lassen. An ihrem Beschäftigungsort mietete sie eine Wohnung mit einer Wohnfläche von etwa 56 m². Von dort aus suchte sie ihre Arbeitsstelle auf. Darüber hinaus führte die Klägerin 30 Fahrten zum Heimatort durch. Für das Jahr 2010 beantragte sie den Abzug für Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in Höhe von 7.267,06 EUR, welche das Finanzamt jedoch nicht anerkannte, da der Lebensmittelpunkt der Klägerin nicht mehr am Heimatort gewesen sei. Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, dass es sich bei der Wohnung am Beschäftigungsort um eine reine Schlafstätte handele. Ihr tatsächlicher Lebensmittelpunkt befinde sich dagegen weiterhin in ihrem Haus am Heimatort. Hätte sie ihren Lebensmittelpunkt verlagern wollen, hätte sie die Investitionen am Heimatort nicht vorgenommen.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts liegen die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Streitfall nicht vor. Nach einer Gesamtabwägung der ermittelten Umstände unterhalte die Klägerin außerhalb ihres Beschäftigungsortes keinen eigenen Hausstand.
Für einen Lebensmittelpunkt am Heimatort spreche zwar, dass die Klägerin dort ein eigenes Einfamilienhaus bewohnt, dieses aufwendig saniert worden sei und nach Größe und Ausstattung gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort als höherwertig zu betrachten sei. Darüber hinaus sei hierbei zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Streitjahr 30 Heimfahrten unternahm und ebenfalls einen nicht unerheblichen Teil des Jahres am Heimatort verbrachte. Dies alles sei jedoch noch nicht ausreichend, um zur Überzeugung des Finanzgerichts den Lebensmittelpunkt der Klägerin am Heimatort zu definieren, denn es sprächen auch erhebliche Indizien gegen die Beurteilung des Wohnsitzes am Heimatort als Lebensmittelpunkt. Dazu zähle der Umstand, dass die Klägerin im Streitjahr bereits seit rund 18 Jahren außerhalb ihres Heimatortes beschäftigt war. Diese sehr lange Dauer am Beschäftigungsort hat dabei ein besonderes Gewicht, weil die Klägerin ledig ist und weder Kinder noch einen festen Lebensgefährten am Heimatort hatte.
Hinweis
Das rechtskräftige Urteil zeigt, dass es zum Nachweis des Lebensmittelpunktes am Heimatort unbedingt erforderlich ist, dass sowohl familiäre Bindungen als auch verschiedene sportliche, kulturelle und andere Aktivitäten am Heimatort nachgewiesen werden. Der Besitz eines eigenen Hauses am Heimatort reicht für sich allein als Nachweis des Lebensmittelpunktes nicht aus.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.09.2016, 6 K 511/13