Leitsatz
Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist zu klären, ob ein alleinstehender Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder in einem fremden Haushalt eingegliedert ist. Dabei ist auch von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich nutzt.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG
Sachverhalt
Der unverheiratete, 1972 geborene Kläger (Innenarchitekt) nahm im Streitjahr 2001 eine Tätigkeit in E. auf. Dort mietete er eine Wohnung an. An den Wochenenden und im Urlaub hielt er sich in seinem Heimatort auf.
Hier nutzt er eine abgeschlossene Dachgeschosswohnung im Haus seiner Eltern unentgeltlich. Diese bewohnen die Erdgeschosswohnung, das Obergeschoss ist fremdvermietet.
Das FA lehnte es ab, Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung i.H.v. rd. 11.000 DM als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit anzuerkennen. Das FG gab der Klage statt (EFG 2005, 1755).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung, soweit das FG die Voraussetzungen für eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung als gegeben ansah. Das FG sei nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert gewesen sei. Der Kläger habe in der ihm von seinen Eltern überlassenen Dachgeschosswohnung einen eigenen Hausstand geführt, auch wenn ihm die Wohnung kostenlos überlassen worden sei. Diese Würdigung sei revisionsrechtlich möglich. Die Sache sei jedoch an die Vorinstanz zurückzuverweisen, weil das FG Umzugskosten des Klägers pauschal anerkannt habe. Durch eine doppelte Haushaltsführung veranlasste Umzugskosten seien nur bei entsprechendem Nachweis zu berücksichtigen.
Hinweis
1. Im Streitfall ging es um die Frage, ob ein unverheirateter Steuerpflichtiger, der an seinem Haupthausstand (Ort des Lebensmittelpunkts) eine abgeschlossene Dachgeschosswohnung im Haus seiner Eltern (nur) unentgeltlich nutzt, Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung erfolgreich als Werbungskosten geltend machen kann.
2. Im Besprechungsfall legte der BFH zunächst (nochmals) die Voraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung dar.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Hausstand ist dabei der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Unter dem Begriff des Haushalts ist die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfaltet.
Ein "eigener" Hausstand erfordert, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird. Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer "unterhalten" oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt.
3. Nach der früheren Rechtsprechung des BFH setzte das Unterhalten des eigenen Hausstands voraus, dass der Arbeitnehmer eine Wohnung besaß, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entsprach und in der auch in seiner beruflich bedingten Abwesenheit hauswirtschaftliches Leben herrschte, das er durch finanzielle und persönliche Mitwirkung maßgeblich mitbestimmte. Der BFH hat diese Rechtsprechung, die grundsätzlich einen Familienhaushalt voraussetzte, aufgegeben. Er vertritt seit dem Urteil vom 5.10.1994, VI R 62/90 (BStBl II 1995, 180) die Auffassung, dass der Haupthaushalt auch von einem Alleinstehenden unterhalten, d.h. geführt werden kann. Statt der Forderung nach ununterbrochenem hauswirtschaftlichen Leben kommt es darauf an, dass der nicht verheiratete Arbeitnehmer sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf. Urlaubsfahrten, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt (z.B. in den der Eltern oder als Gast) eingegliedert ist, sodass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann.
4. Von diesen Grundsätzen ausgehend, hatte der BFH bereits früher zu verstehen gegeben, dass das Unterhalten eines Haushalts nicht bedeutet, dass die Hauptwohnung entgeltlich genutzt werden muss. In der Besprechungsentscheidung hat der BFH dies nochmals bekräftigt. Die eigene Rechtsposition kann sich etwa auch aus einer leihweisen Überlassung der Wohnung ergeben. Der...