Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt veranschaulicht mit Urteil vom 2.10.2014, anhand welcher Kriterien der Lebensmittelpunkt eines Arbeitnehmers im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bestimmt werden kann.
Sachverhalt
Ein polnischer Professor war in den Jahren 2001 bis 2014 im Rahmen einer durchgängig befristeten Anstellung beruflich in Deutschland tätig und hatte zu diesem Zweck hierzulande eine (Zweit-)Wohnung angemietet. In Polen bewohnte er zudem zusammen mit seiner Frau ein Einfamilienhaus. Aus visumrechtlichen Gründen hatten beide Eheleute ihren Hauptwohnsitz in Deutschland angemeldet.
Das Finanzamt erkannte die Kosten der doppelten Haushaltsführung des Ehemannes von rund 10.000 Euro nicht als Werbungskosten an mit dem Argument, dass die Eheleute ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt mittlerweile an den Beschäftigungsort in Deutschland verlagert hatten. Dagegen trugen die Eheleute vor, dass sich die Ehefrau hauptsächlich in Polen aufgehalten habe und nur besuchsweise zu ihrem Mann nach Deutschland gereist sei. In Polen leben ihre pflegebedürftige 84jährige Mutter sowie ihre Kinder und Enkelkinder, die ebenfalls gesundheitliche Probleme hätten. Weiter trugen die Eheleute vor, dass sie selbst in Polen in ärztlicher Behandlung sind und untermauerten dies durch ärztliche Bescheinigungen. Zudem wiesen sie durch Werkstattrechnungen nach, dass sie mit ihrem PKW innerhalb von nur neun Monaten insgesamt 22.000 Kilometer zurückgelegt hatten.
Entscheidung
Das Finanzgericht erkannte die Kosten der doppelten Haushaltsführung an und vertrat - anders als das Finanzamt - den Standpunkt, dass die Eheleute ihren Lebensmittelpunkt nicht nach Deutschland verlegt hatten. Hierfür sprach eine Reihe von Einzelumständen: Zunächst einmal hatten die Eheleute durch die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie beide weiterhin in Polen in ärztlicher Behandlung waren. Auch hatten sie durch die Werkstattrechnungen nachweisen können, dass die Ehefrau häufig Besuchsfahrten nach Deutschland unternommen hatte (hohe Fahrleistung). Nachvollziehbar war für das Gericht zudem, dass sich die Eheleute lediglich aus visumrechtlichen Gründen mit ihrem Hauptwohnsitz in Deutschland angemeldet hatten; die melderechtliche Situation zog das Gericht daher nicht als Indiz zur Bestimmung des Lebensmittelpunkts heran. Entscheidungsrelevant war auch, dass die Ehefrau ihre pflegebedürftige 84jährige Mutter und andere Familienangehörige in Polen betreut hatte und der Ehemann in Deutschland lediglich in einem befristeten Arbeitsverhältnis stand.
Hinweis
Der Entscheidungsfall zeigt, dass der Lebensmittelpunkt anhand einer Gesamtschau von Einzelfallumständen bestimmt werden muss. Da bei der Prüfung einer doppelten Haushaltsführung erst im Rückblick beurteilt wird, an welchem Ort ein Arbeitnehmer seinen Lebensmittelpunkt hatte, kommt einer sorgfältigen Beweisvorsorge und Nachweisführung eine besonders hohe Bedeutung zu.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2014, 5 K 1330/11