Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Wegen eines Umzugs geleistete doppelte Mietzahlungen können beruflich veranlasst und deshalb in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sein.
2. Die Vorschriften über den Abzug notwendiger Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung stehen dem allgemeinen Werbungskostenabzug umzugsbedingt geleisteter Mietzahlungen nicht entgegen.
3. Diese Mietaufwendungen können jedoch nur zeitanteilig, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag, längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses, als Werbungskosten abgezogen werden.
4. Der Abzug von Mietaufwendungen als Umzugskosten richtet sich allein nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff und nicht nach den Regelungen des Bundesumzugskostengesetzes.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG, § 8 BUKG
Sachverhalt
M wurde zusammen mit seiner Ehefrau F zur ESt veranlagt. M arbeitete ab 01.11.2007 in T. Deshalb mieteten M und F nahe T, in R, ab dem 01.12.2007 eine 165 qm große 5-Zimmer-Wohnung. Von dort ging M seiner Arbeit in T nach. Wie geplant zog Ms Familie am 10.02.2008 nach. Die bisherige Familienwohnung wurde aufgegeben. M beantragte für den Mietaufwand der Wohnung in R für Januar und Februar 2008 den Werbungskostenabzug. Das FA berücksichtigte als doppelte Haushaltsführung nur anteilig Kosten für 60 qm. Die Klage blieb erfolglos (FG Nürnberg, Urteil vom 21.07.2010, 6 K 428/10, Haufe-Index 2629136, EFG 2011, 1155).
Entscheidung
Der BFH hob aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf, damit das FG im zweiten Rechtsgang die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen nach Maßgabe der dargestellten Rechtsgrundsätze prüfen kann.
Hinweis
Der LSt-Senat hatte schon früher entschieden, dass zu den beruflich veranlassten Umzugskosten auch doppelte Mietzahlungen gehören können (BFH, Urteil vom 23.05.2006, VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650). Typische Fälle beruflich veranlasster Umzugskosten sind Arbeitsplatzwechsel, wie auch im hier vorliegenden Streitfall. Infolgedessen sind hier die umzugsbedingt geleisteten doppelten Mietzahlungen – in den Grenzen, die der BFH jetzt präzisiert – beruflich veranlasst und als Werbungskosten abziehbar:
1. Die Miete kann für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag (der Familie) und für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag (der Familie) zu umzugsbedingten Werbungskosten führen. Vice versa gehören die Wohnkosten, soweit sie anteilig auf die von der Familie jeweils bewohnte Familienwohnung entfallen, zu den nicht abzugsfähigen Lebensführungskosten. Soweit für die frühere Familienwohnung auch noch Miete zu zahlen ist, sind diese Kosten (doppelte Mietzahlung) umzugsbedingt geleistet. Sie sind einkommensteuerlich zu berücksichtigen, allerdings zeitlich begrenzt auf die ordentliche Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses. Denn nur solange gründet der Aufwand für zwei Wohnungen auf dem beabsichtigten berufsbedingten Familienumzug.
2. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG steht dem nicht entgegen, auch wenn im Urteilsfall die neue Familienwohnung vor dem Familiennachzug von dem Steuerpflichtigen bereits im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wurde. Denn in einem solchen Fall verdrängt § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG als die speziellere Norm den allgemeinen Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG nicht. Die Unterhaltung zweier Wohnungen dient hier dem Zweck der Familienzusammenführung. Solche Mietaufwendungen erfasst aber nicht § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG, sondern § 9 Abs. 1 S. 1 EStG.
3. Dem steht auch nicht § 8 BUKG i.V.m. R 9.9 Abs. 2 LStR 2008 entgegen. Denn die steuerliche Abzugsfähigkeit richtet sich allein nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Die Erstattungsfähigkeit nach § 8 BUKG ist nicht Rechtsmaßstab, sondern allenfalls Indiz für die steuerliche Abzugsfähigkeit (BFH, Urteil vom 17.12.2002, VI R 188/98, BFH/NV 2003, 411, BFH/PR 2003, 138).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.07.2011 – VI R 2/11