Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das Finanzgericht Baden-Württemberg befasste sich mit dem Fall eines deutschen Richters, der seine Einkünfte aus einer EULEX-Mission im Kosovo unvollständig gegenüber dem deutschen Finanzamt erklärt hatte. Nach Gerichtsmeinung konnten die bestandskräftigen Steuerbescheide geändert und die Einkünfte nacherfasst werden, weil der Richter die Bescheide durch unlautere Mittel erwirkt hatte.
Sachverhalt
Der Kläger war als Richter mitunter auch für Steuerstrafsachen tätig. In den Jahren 2008 bis 2011 war er unter Wegfall seiner Richterbezüge beurlaubt, um im Kosovo im Rahmen der sog. EULEX-Mission als "Civil Judge at District Court Level" tätig zu sein. Für diese Tätigkeit bezog er ein Tagegeld von der EULEX, sowie Zahlungen vom Auswärtigen Amt, die sich auf 6.625 EUR pro Monat beliefen. In seinen deutschen Einkommensteuererklärungen für 2008 bis 2011 machte der Richter keine Angaben zu den Zahlungen des Auswärtigen Amtes. Die Tagegelder der EULEX erklärte er ab 2009 als steuerfreie Progressionseinkünfte.
Obwohl dem Finanzamt entsprechende Kontrollmitteilungen über die Zahlungen des Auswärtigen Amtes vorlagen, veranlagte es zunächst erklärungsgemäß ohne Ansatz dieser Gelder; die Bescheide für 2008 bis 2010 wurden bestandskräftig. Erst im Zuge der Veranlagung 2011 kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass die Zahlungen des Auswärtigen Amtes als Arbeitslohn des Klägers versteuert werden müssen; eine diesbezügliche Änderung der Bescheide für 2008 bis 2010 stützte das Finanzamt (letztlich) auf die Korrekturnorm des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c) AO, wonach Steuerbescheide geändert werden können, wenn sie durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden sind.
Entscheidung
Das Finanzgericht urteilte, dass das Amt die Bescheidänderung zu Recht auf § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c) AO gestützt hatte, da der Kläger die Erstbescheide durch unlautere Mittel erwirkt hatte. Er hatte das Finanzamt über die tatsächliche Höhe seiner im Kosovo erzielten Einkünfte getäuscht und dabei nach Gerichtsmeinung vorsätzlich unlauter gehandelt. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Richter auch in Steuerstrafsachen ging das Finanzgericht davon aus, dass ihm die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs geläufig war, wonach jeder Steuerpflichtiger sich über seine steuerlichen Pflichten unterrichten muss, er in Zweifelsfällen sachkundigen Raten einzuholen hat und es ihm möglich und zumutbar ist, offene Rechtsfragen - unter Aufdeckung des vollständigen wahren Sachverhalts - im Besteuerungsverfahren zu klären.
Hinweis
Dass das Finanzamt die Höhe der nicht erklärten Zahlungen bei der ursprünglichen Veranlagung (wegen der vorliegenden Kontrollmitteilungen) hätte kennen müssen, "sperrte" die Bescheidänderung im Wege des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c) AO nicht, weil ein Mitverschulden des Finanzamtes für die Anwendung dieser Korrekturnorm unerheblich ist. Die Mitteilungen des Auswärtigen Amtes bewirkten allerdings, dass das Finanzamt die Änderung nicht auf neue Tatsachen (nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) stützen konnte - hierauf kam es im Urteilsfall jedoch nicht entscheidend an.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.2017, 3 K 1670/15