Leitsatz
1. Die Durchführung von Kanutouren für Schulklassen ist keine "Aufnahme" der Jugendlichen für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke i.S.d. in § 4 Nr. 23 UStG geregelten Steuerbefreiung, wenn die Gesamtverantwortung bei den Lehrern verbleibt; die teilweise Übernahme von Betreuungsleistungen reicht insoweit nicht aus.
2. Für die Anerkennung einer anderen Einrichtung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h und i der 6. EG-RL reichen vertragliche Vereinbarungen zwischen der Einrichtung und einer Schule allein nicht aus.
Normenkette
§ 4 Nr. 23 UStG 1993/1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h und i der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger hatte mehrtägige Kanutouren für Schulklassen im Rahmen sog. Projektwochen organisiert und dabei die Planung der Touren sowie die Reservierung der Campingplätze übernommen. Vom Vertragspartner, den Schulen, waren in ausreichendem Maß volljährige Betreuer der Gruppe zu stellen. Lediglich auf dem Wasser waren die Mitarbeiter des Klägers allein verantwortlich, im Übrigen zusammen mit den Betreuern der Gruppe. Die Kosten für die Tour trug die Schule selbst nicht.
Der Kläger beanspruchte die USt-Befreiung, weil seiner Ansicht nach die Leistungen der Jugendbetreuung und Jugenderziehung dienten. Einspruch und Klage (Niedersächsisches FG vom 01.03.2007, 16 K 30/05, Haufe-Index 1768334, EFG 2007, 1288) blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Ebenso die Revision, weil der Kläger keine umfassende Betreuung für die gesamte Tour übernommen hatte, sondern die Gesamtverantwortung bei den die Gruppe begleitenden Lehrern verblieben ist. Dass der Kläger zur Sicherstellung der Sicherheitsbedürfnisse auf dem Wasser verantwortlich war, reichte nicht aus.
Auch die Dauer der Aufnahme stand der Befreiung entgegen. § 4 Nr. 23 UStG schreibt zwar eine bestimmte Aufnahmedauer nicht vor. Es genügt deshalb, wenn die Aufnahme so lange andauert, dass der im Gesetz vorausgesetzte Erziehungszweck erreicht werden kann.
Abzugrenzen ist nach der Rechtsprechung aber die Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken von Leistungen der Beherbergung und Verköstigung während eines kurzfristigen Urlaubsaufenthalts mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung, die die im Gesetz vorausgesetzte "Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken" jedenfalls nicht erfüllen. Das gelte auch für die Durchführung mehrtägiger Kanutouren im Rahmen von sog. Projektwochen, die von einem Sport- und Freizeitangebot geprägt sind.
Hinweis
Nach § 4 Nr. 23 S. 1 UStG ist u.a. die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen steuerfrei, wenn sie überwiegend Jugendliche (Personen unter 27 Jahre) für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen.
1.§ 4 Nr. 23 UStG sollte die bereits bestehende USt-Begünstigung auch auf Schullandheime und andere Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und -ausbildung erweitern. Aufnahme für Erziehungszwecke verlangt mehr als lediglich die Planung und organisatorische Gestaltung von Sport- oder Erlebnisveranstaltungen, mögen diese faktisch auch zum Erlernen von sozialer Kompetenz und der Annäherung an Natur und Umwelt sinnvoll und in ein Erziehungskonzept der Schule einbezogen sein: Denn Aufnahme für Erziehungszwecke setzt ein Verhältnis der Obhut und Betreuung und Verantwortung während der Zeit der Aufnahme der Jugendlichen zu den im Gesetz genannten Zwecken voraus.
2. Die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Befreiungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL für "die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen" (Buchst. h) und "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, der Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen" (Buchst. i) betreffen nur Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Eine Anerkennung durch den Mitgliedstaat liegt aber nicht schon vor, wenn zwar – wie im Besprechungsfall – Vereinbarungen mit der Schule getroffen wurden, wenn diese aber nicht die Kosten für die Veranstaltung übernommen hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.05.2009 – V R 35/07