a) Übertragung der Pflichten aus der analogen Welt
Aufklärungspflicht des FA: Die dargestellten umfassenden Korrekturmöglichkeiten des § 175b AO im Zusammenhang mit eDaten i.S.d. § 93c AO machen deutlich, dass schon der Gesetzgeber davon ausging, ein umfassendes Prüfungsrecht wie auch eine Pflicht zur Überprüfung der Richtigkeit dieser so bereitgestellten Daten sei nötig. Gerade auch das FA hat deshalb bei erkennbaren Abweichungen eine Aufklärungspflicht, m.E. nicht nur in dem Fall, wenn diese eDaten von den im Freitextfeld nach § 150 Abs. 7 S. 2 AO eingetragenen Angaben des Steuerpflichtigen abweichen. Dies ist die Folge davon, dass der Datensatz mitteilungspflichtiger Stellen kein Grundlagenbescheid ist (so zutreffend schon FG Münster v. 9.3.2021 – 1 K 2809/19 E, EFG 2021, 989 Rz. 33, m.w.N.).
Prüfungspflicht der Steuerpflichtigen: Gleichzeitig gilt jedoch erst recht, dass auch der Steuerpflichtige seine eDaten auf Richtigkeit überprüfen muss, gelten sie doch nach § 150 Abs. 7 S. 2 AO als eigene von ihm in der Steuererklärung gemachte Angaben. Trotz der Digitalisierung des Steuerverfahrensrechts verlieren die allgemeinen Grundsätze ihre Gültigkeit nicht. Dies gilt auch in Bezug auf das Steuerstrafrecht und seine beiden zentralen Gebote:
- „...Du sollst nicht lügen
und
- Du sollst Angaben machen, wenn Du dazu verpflichtet bist.”
(so schon Küchenhoff, Strafbares Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung – die Renaissance des Verbotsbannbruchs, NZWiSt 2018, 90).
Beraterhinweis Es ist es deshalb ratsam, im Freitextfeld Zweifel oder Prüfbitten zu äußern, um sich zu exkulpieren. Dabei kann der Steuerpflichtige selbst bei Nutzung der Aussteuerungsregelung des § 150 Abs. 7 S. 1 AO aber nicht sicher sein, dass das FA seinen Angaben folgt. Einspruch bzw. Antrag auf "schlichte Änderung" sind geboten (vgl. weiterführend Nöcker, § 93c AO, AO-StB 2020, 261). Dies mag aus Gründen der Verfahrensökonomie misslich sein (so zu Recht Gebhardt, AO-StB 2021, 32), ist doch die Fehlerhaftigkeit von elektronisch übermittelten Daten nicht leicht erkennbar. Diese Vorgehensweise ist aber letztlich Folge der fehlenden bindenden Wirkung der eDaten nach § 93c AO wie auch anderer übermittelter elektronischer Daten (eDaten i.w.S.) (Nöcker, AO-StB 2021, 35).
Beachten Sie: Nicht zu vergessen ist, dass auch in der digitalen Welt § 150 Abs. 2 AO fortgilt. § 150 Abs. 7 S. 2 AO ändert an diesen bisherigen Pflichten des Steuerpflichtigen, seine Angaben in Steuererklärungen wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen, nichts. Folglich ist auch bei nachträglichem Erkennen einer Fehlerhaftigkeit von eDaten über eine Berichtigung der Steuererklärung nach § 153 AO nachzudenken.
b) Steuererklärungspflichten und § 153 AO
aa) Objektive Pflicht und subjektiver Tatbestand
Erkennen der Fehlerhaftigkeit der eDaten: § 153 AO verpflichtet den Steuerpflichtigen zwar nicht, nach Unrichtigkeiten zu suchen, denn ein Erkennenmüssen oder Erkennenkönnen löst weder die Anzeige- noch die Berichtigungspflicht insoweit aus. Erst das Erkennen i.S.d. positiven Wissens von Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit sowie die Erkenntnis, dass es durch die Erklärung zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, führt zur Erklärungspflicht nach § 153 AO (vgl. nur Beyer, Geänderte Verwaltungsauffassung zur Zurechnung bei Cum/Cum-Gestaltungen, NWB 2021, 3244 unter Hinweis auf Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 16 [Oktober 2016]). Objektiv bedarf es somit zunächst des Erkennens der Fehlerhaftigkeit der eDaten.
Folgen fehlender Überprüfung der eDaten: Im Hinblick auf eine Strafbarkeit bedarf es daneben des Vorliegens des subjektiven Tatbestand des § 370 AO, also Vorsatz, bzw. der Fahrlässigkeit in Form der Leichtfertigkeit i.S.d. § 378 AO (vgl. insoweit nur Gehm, Kriminalistik 2018, 657). Gerade die Komplexität von eDaten i.w.S. macht es in vielen Fällen schwer, einen solchen subjektiven Tatbestand zweifelsfrei annehmen zu dürfen. Vorsätzliche Steuerhinterziehung, die wahrscheinlich erst vorliegt, wenn nach der Überprüfung der eDaten i.w.S. im Steuerbescheid eine Berichtigung nach § 153 AO bewusst vermieden wird, ist rechtstatsächlich nur schwer fassbar. Somit beschränkt sich die Frage, welche Folgen eine fehlende Überprüfung der eDaten i.w.S. hat, zumeist darauf, ob leichtfertige Steuerverkürzung gegeben ist.
bb) Steuerrechtliche Rechtsprechung
Leichtfertige Steuerverkürzung durch Unterlassen: Die steuerrechtliche Rechtsprechung problematisiert die Frage nach dem Vorliegen von leichtfertiger Steuerverkürzung im Zusammenhang mit der Änderung von Steuerbescheiden, insb. gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. der nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO verlängerten Festsetzungsfrist. So hat der BFH in seinem Urteil vom 23.7.2013 (BFH v. 23.7.2013 – VIII R 32/11, BStBl. II 2016, 503), wenn auch im Zusammenhang mit der Anpassung an einen Feststellungsbescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO, klargestellt, dass Steuerpflichtige, die ihre Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit in ihrer Gewinnfeststellungserklärung in zutreffender Höhe angeben, dies aber in der zeitgleich abgegebenen Einkommensteuererklärung nicht machen, eine leichtfertige...