Droht bei fehlender Überprüfung die Verwirklichung der leichtfertigen Steuerverkürzung durch Unterlassen?
[Ohne Titel]
RiBFH Prof. Dr. Gregor Nöcker
Der vom BFH mit Urteil vom 8.9.2021 entschiedene Fall verdeutlicht, dass auf die Richtigkeit sog. eDaten i.w.S nicht vertraut werden darf. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Fragen, welche Pflichten den Steuerpflichtigen und seinen Berater in Bezug auf die Überprüfung der eDaten im Rahmen der Steuerfestsetzung treffen und wann sich der Steuerpflichtige der Gefahr einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO aussetzt.
1. Einleitung
Mit Urteil vom 8.9.2021 hat der BFH entschieden, dass die Änderung eines Einkommensteuerbescheides nach § 175b Abs. 1 AO auch in Bezug auf alle elektronischen Daten eines Steuerpflichtigen möglich ist, soweit sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einer mitteilungspflichtigen Stelle an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln sind (BFH v. 8.9.2021 – X R 5/21, DStR 2022, 553). Dabei unterscheidet der BFH zwischen "Daten im Sinne des § 93c AO" und anderen elektronischen Daten. In beiden Fällen stellt sich jedoch auch weiterhin nicht nur die Frage, ob und inwieweit diese nach § 175b AO korrigiert werden dürfen. Gerade der vom BFH entschiedene aktuelle Fall macht erneut deutlich, dass auf die Richtigkeit der sog. eDaten i.w.S nicht vertraut werden darf.
Wenn dem so ist, ist unklar, ob und wenn ja welche Pflichten den Steuerpflichtigen und seinen Berater in Bezug auf die Überprüfung der eDaten im Rahmen der Steuerfestsetzung treffen können.
2. Änderung nach § 175b AO
Beispiel
Die private Krankenkasse des A übermittelt im Jahr 2020 Daten zu den von A gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen i.H.v. 5.000 EUR an das zuständige FA. Irrtümlich werden diese im Rahmen der Steuerfestsetzung des A nicht berücksichtigt.
Abwandlung: Das FA berücksichtigt lediglich einen Betrag von 50 EUR aufgrund eines Eingabefehlers.
Datenübermittlungspflicht Dritter an die Finanzbehörden: Im Rahmen der beginnenden Digitalisierung des Steuerverfahrensrechts hat der Gesetzgeber mit Wirkung für Besteuerungszeiträume nach 2016 u.a. § 93c AO wie auch § 175b AO für anwendbar erklärt, wenn steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen für diese Besteuerungszeiträume auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten als mitteilungspflichtiger Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind (Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO). Im Fall von Beiträgen zu einer Kranken- oder gesetzlichen Pflegeversicherung i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG hat die Krankenkasse als mitteilungspflichtige Stelle nach § 10 Abs. 2a S. 4 Nr. 2 EStG für die Veranlagungszeiträume 2017 und 2018 und nunmehr nach § 10 Abs. 2b S. 1 EStG entsprechende Daten zu übermitteln.
Eigenständige Korrekturvorschrift erforderlich: Da diese Daten keine Grundlagenbescheide i.S.d. § 171 Abs. 10 S. 1 AO sind, bedurfte es einer eigenständigen Korrekturvorschrift (vgl. nur Loose in Tipke/Kruse. AO/FGO, § 175b AO Rz. 2 [Okt. 2020]). Dabei sieht § 175b AO vor, dass eine Änderung trotz Bestandskraft der Steuerfestsetzung möglich ist, wenn
- Daten von dritter Stelle an die Finanzbehörden übermittelt und dort nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden (§ 175b Abs. 1 AO);
- die übermittelten Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen falsch sind (§ 175b Abs. 2 AO);
- eine Einwilligung des Steuerpflichtigen zur Datenübermittlung nicht gegeben ist (§ 175b Abs. 3 AO).
Betroffen sind die übermittelten Daten i.S.d. § 93c AO. § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO legt fest, welche Angaben der Datensatz neben den steuerlichen Daten eines Steuerpflichtigen auf Grund gesetzlicher Vorschriften (§ 93c Abs. 1 AO) enthalten muss (weiterführend auch Nöcker in Zugmaier/Nöcker, AO-Kommentar, § 93c Rz. 7). Im Fall der Beiträge zu einer Krankenversicherung sieht § 10 Abs. 2b S. 1 EStG (= § 10 Abs. 2a S. 4 Nr. 2 EStG a.F.) vor, dass die Höhe der im jeweiligen Beitragsjahr geleisteten und erstatteten Beiträge übermittelt wird.
Lösung zum Beispielsfall: Soweit die von der Krankenkasse übermittelten Beiträge nicht berücksichtigt worden sind, besteht die Möglichkeit zur Korrektur nach § 175b Abs. 1 AO. Das Gleiche gilt im Fall der der Höhe nach fehlerhaft berücksichtigten Beiträge.
Festsetzungsfrist: § 171 Abs. 10a AO regelt die insoweit relevante Festsetzungsfrist für Daten des Steuerpflichtigen i.S.d. § 93c AO. Danach endet diese, soweit Daten eines Steuerpflichtigen nach dem Besteuerungszeitraum innerhalb von sieben Kalenderjahren den Finanzbehörden zugegangen sind, nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.
Korrekturmöglichkeit für alle Fälle der Datenübermittlung nach § 93c Abs. 1 AO: Fraglich erschien bislang, ob § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO, der insb. die Höhe der Beiträge nicht nannte, dazu führte, dass deshalb eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO nicht möglich sei. Die Höhe ergibt sich erst ...