Rz. 71
Ein wirksames Mittel zur Erlangung ausstehender Honorarforderungen stellt das Zurückbehaltungsrecht (ZbR § 273 BGB, § 66 Abs. 2 und 4 StBerG, § 13 Abs. 4 BOStB) dar. Der ehemalige Mandant hat regelmäßig ein großes Interesse an einer Weiterbetreuung durch einen anderen StB. Steht aber noch die Vergütung aus, kann der StB Arbeitsergebnisse und Mandantenunterlagen zurückhalten (BGH v. 07. 02. 1988 – IV a ZR 262/86, BB 1988, 656; OLG Düsseldorf v. 27. 02. 1997 – 13 U 23/96, GI 1997, 252; für Buchhaltungsunterlagen: Saarl. OLG v. 23. 04. 1997 – 1 U 759/96, DStR 1998, Heft 23, Beihefter, 4; einschränkend bei Streit über das Honorar: OLG Düsseldorf v. 21. 12. 2004 – 23 U 36/04, NJW-RR 2005, 364). Dies gilt auch für die Zustimmung zum DATEV-Übertragungsbeleg (Kuhls/Goez, StBerG Kommentar, 4. Auflage 2020, Rdn. 27 f. zu § 66 StBerG), nicht aber für Unterlagen Dritter wie Lohnsteuerkarten und Sozialversicherungsnachweise (siehe Berufsrechtliches Handbuch für StB, I "Berufsrechtlicher Teil", Fach 5.2.5).
Rz. 72
§ 66 Abs. 2 StBerG stellt klar, dass der StB seinem Auftraggeber grundsätzlich die Herausgabe der Handakten verweigern kann, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Voraussetzung ist die Fälligkeit des Vergütungsanspruches und die Wahrung von Treu und Glauben (z. B. kein ZbR bei nur noch unwesentlicher Höhe der ausstehenden Restgebühren). Der Mandant kann bei Zweifeln über die Richtigkeit der noch offenstehenden Vergütung das ZbR durch Sicherheitsleistung (§ 273 Abs. 3 BGB), d. h. Hinterlegung des strittigen Betrages beim zuständigen Amtsgericht (§§ 232 Abs. 1, 372 BGB i. V. m. der Hinterlegungsverordnung) abwenden. Für die Herausgabe der Unterlagen können im Übrigen keine gesonderten Gebühren oder Auslagen beansprucht werden (OLG Düsseldorf v. 10. 02. 2000 – 13 U 147/99, GI 2001, 197).
Rz. 73
In der Insolvenz allerdings sind Unterlagen des Mandanten an den Verwalter herauszugeben, da das ZbR kein höchstpersönliches Rechtsverhältnis betrifft (OLG Hamm v. 04. 08. 1987 – 25 U 173/86, StB 1988, 235); dies gilt aber nicht für die von dem StB gefertigten Arbeitsergebnisse (BGH v. 25. 10. 1988 – XI ZR 3/88, StB 1989, 113), falls nicht der Insolvenzverwalter die darauf entfallende Vergütung bezahlt.
Rz. 74
In der gerade dem betreuenden StB regelmäßig recht schnell auffallenden "Krise" sollte dieser daher nur bei Zahlung im Rahmen von Bargeschäften, zulässig nach § 142 InsO, tätig werden (vgl. ausführlich: Leibner, Das Honorar des StB im Insolvenzverfahren, NWB 2003, 1957; s. o. Tz. 70).
Rz. 75
Ähnliches gilt bei berechtigtem Herausgabeverlangen seitens der Finanzverwaltung: So hat das Finanzamt zur Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung das Recht, die entsprechenden Unterlagen bei dem StB herauszuverlangen. Dieser kann sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen offener Honorarforderungen berufen (FG Berlin-Brandenburg v. 13. 04. 2007 – 6 K 2012/06, DStRE 2008, 966). Dem StB ist anzuraten, nach Einsicht durch das FA die Herausgabe der Unterlagen an sich selbst – nicht an den im Verzug befindlichen Mandanten – zu beantragen.
Rz. 76
Vorsicht ist allerdings auch geboten, falls der StB Honorarzahlungen von seinen Mandanten in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftraggebers erhalten hat. Diese können vom Insolvenzverwalter angefochten werden, wenn der Mandant schon zahlungsunfähig war und dies dem StB bekannt war; insofern wird sogar widerleglich vermutet, dass der StB die Zahlungsunfähigkeit kannte bzw. zumindest die Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (AG Viersen v. 05. 02. 2008 – 32 C 233/07, DStR 2009, 296).