Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Ein Promotionsberater, der aufgrund selbst entwickelter Testverfahren und von Gesprächen sog. Begabungsanalysen seiner Klienten erstellt und diesen sodann beim Finden eines Dissertationsthemas, der Vermittlung eines Doktorvaters und der Gliederung behilflich ist sowie die Klienten unterstützend in die wissenschaftliche Methodik einweist und neben weiteren technischen Hilfeleistungen begleitende Literaturrecherchen vornimmt, erfüllt noch nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit.
2. Erzielt ein Steuerpflichtiger Gewinneinkünfte und ermittelt er seinen Gewinn mittels Einnahmen-Überschuss-Rechnung, so kann er nicht allein deshalb, weil seine Einkünfte im Anschluss an eine Außenprüfung nicht mehr als freiberuflich, sondern als gewerblich eingestuft werden, durch einen Wechsel zum Bestandsvergleich eine Gewerbesteuerrückstellung bilden.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 und 3, § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG
Sachverhalt
Der Kläger, der nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre promoviert worden war, betrieb ein Unternehmen, mit mehreren, als freie Mitarbeiter tätigen Wissenschaftlern. Unternehmenszweck war, akademisch vorgebildeten Berufstätigen zu einem Doktortitel zu verhelfen. Die Tätigkeit des Klägers bestand darin, aufgrund von Gesprächen mit den Klienten und anhand der Lebensläufe eine "Begabungsanalyse" zu erstellen, ein geeignetes Dissertationsthema zu finden, die Klienten an einen Doktorvater zu vermitteln sowie durch Einweisung in die wissenschaftliche Methodik und durch begleitende Literaturrecherchen zu unterstützen. FA und FG beurteilten diese Tätigkeit nach einer Außenprüfung als gewerblich und den Kläger damit als gewerbesteuerpflichtig.
Das FG gab der Klage aber insoweit teilweise statt, dass es bei der Gewinnermittlung des Klägers eine GewSt-Rückstellung berücksichtigte.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG zur GewSt-Pflicht des Klägers. In der ganz überwiegenden Zahl der Beratungsfälle habe die Tätigkeit des Klägers mit dem Finden eines Doktorvaters und eines Dissertationsthemas geendet. Nur ausnahmsweise habe der Kläger die Betreuung des Promovenden fortgeführt, wenn sich herausgestellt habe, dass der Doktorvater die Dissertation nicht in dem erforderlichen Umfang betreut habe. Die Leistungen des Klägers hätten deshalb insgesamt keinen Schwierigkeitsgrad und keine solche Gestaltungshöhe erreicht, wie ihn wissenschaftliche Arbeiten aufwiesen. Es habe sich um wissenschaftsbegleitende Vorbereitungsmaßnahmen gehandelt. Die eigentliche wissenschaftliche Arbeit habe nicht der Kläger, sondern der jeweilige Promovend erbracht.
Entgegen der Auffassung des FG könne der Kläger im Anschluss an die Außenprüfung keine GewSt-Rückstellung bilden; denn er habe sich für das Streitjahr für eine Gewinnermittlung nach den Grundsätzen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG entschieden, in der die Bildung von GewSt-Rückstellungen nicht zulässig sei. Diese Entscheidung sei bindend, auch wenn sich der Kläger über die genaue Zuordnung zu einer bestimmten Gewinneinkunftsart und die steuerlichen Folgen nicht im Klaren gewesen sei.
Hinweis
Die Unterscheidung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit bildet eine der abenteuerlichsten Baustellen des deutschen ESt-Rechts. Die Aufzählung der freien Berufe in § 18 EStG ist ein mehr oder weniger willkürliches, manchmal auf erfolgreicher Lobbyarbeit beruhendes Sammelsurium. Da aber das BVerfG erst jüngst – entgegen einem rundum überzeugenden Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG – die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestätigt hat, ist die Finanzgerichtsbarkeit nach wie vor zu äußerst feinsinnigen (und nicht immer sinnvollen) Abgrenzungen gezwungen.
Das zeigt sich auch am Merkmal der selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit in § 18 EStG. Was ist "wissenschaftlich"? Eine allgemein akzeptierte Definition wird man kaum geben können.
Die Rechtsprechung hat hier – vor dem Hintergrund, dass die Freiberuflichkeit und die daraus folgende GewSt-Freiheit ein Privileg ist – die Messlatte recht hoch gehängt: Eine Tätigkeit ist dann als wissenschaftlich zu qualifizieren, wenn die mit den einzelnen Aufträgen gestellten Aufgaben einen Schwierigkeitsgrad oder eine Gestaltungshöhe erreichen, wie sie wissenschaftliche Prüfungsarbeiten (z.B. Diplomarbeiten) oder wissenschaftliche Veröffentlichungen aufweisen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.10.2008 – VIII R 74/05