Leitsatz
Wird eine Ware im Versandverfahren der Bestimmungszollstelle nicht gestellt und der Abgabebetrag von dem Mitgliedstaat erhoben, der dies feststellt, so ist der Abgabebescheid auch dann nicht wieder aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass der Ort der Zuwiderhandlung in einem anderen Mitgliedstaat lag.
Normenkette
Art. 454 Abs. 3 ZKDVO , Art. 203 Abs. 1 und 3, Art. 204 Abs.1 ZK
Sachverhalt
Die Klägerin, eine polnische Spedition, ließ polnisches Milchpulver bei einer deutschen Zollstelle zum Versand nach Spanien im TIR-Verfahren abfertigen. Die Sendung wurde dort jedoch nicht wieder gestellt. Als das deutsche HZA dies feststellte und den Ort der Zuwiderhandlung gegen die Versandvorschriften nicht ermitteln konnte, forderte es die Klägerin auf, binnen dreier Monate die Erledigung des Versandverfahrens oder den Ort der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Der Nachweis wurde nicht befriedigend erbracht. Das deutsche HZA setzte daraufhin Abschöpfung und EUSt fest. Später teilte der spanische Zoll mit, nach seinen Ermittlungen sei die Zuwiderhandlung in Spanien begangen worden.
Entscheidung
Der BFH hält den Bescheid für rechtmäßig, insbesondere die Zuständigkeit des deutschen HZA für gegeben. Da zunächst der Ort der Zuwiderhandlung nicht mit Sicherheit festgestanden habe, sei Deutschland nach Art. 454 Abs. 3 Unterabs. 1 ZKDVO für die Abgabenerhebung zuständig gewesen. Denn es habe die Zuwiderhandlung festgestellt. Ob sich später die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates ergebe sei ebenso wenig von Bedeutung wie das Setzen einer Frist nach Art. 454 Abs. 3 Unterabs. 1 ZKDVO.
Ob die deutsche Zuständigkeit später durch Nachweis des Ortes der Zuwiderhandlung in Spanien entfallen sei, sei für die Rechtmäßigkeit des Abgabebescheids nicht mehr erheblich. Er müsse nicht wegen einer möglicherweise nachträglich festgestellten spanischen Zuständigkeit aufgehoben werden (wo Abgaben wegen Verjährung nicht mehr hätten erhoben werden können!). Es greife vielmehr der zwischenstaatliche Ausgleichsmechanismus des Art. 454 Abs. 3 Unterabs. 3 ZKDVO ein.
Dem Zollschuldner werde in einem solchen Fall nur der Mehrbetrag erstattet, der sich unter Umständen aus niedrigeren Sätzen für die nationalen Eingangsabgaben des betreffenden anderen Mitgliedstaates ergeben könne.
Hinweis
Der Inhaber eines zollrechtlichen Versandverfahrens ist verpflichtet, die sich aus einem solchen Zollverfahren ergebenden Pflichten zu erfüllen. Er muss also für etwaige Abgaben einstehen, die entstehen, wenn das Versandverfahren (externes Versandverfahren) nicht durch Wiedergestellung der Ware bei der Bestimmungszollstelle ordnungsgemäß beendet wird. Er wird dann nach Art. 204 Abs. 3 ZK Zollschuldner für die nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK entstandene Einfuhrzollschuld, sofern die Zollschuld nicht bereits durch ein Entziehen des Versandgutes aus der zollamtlichen Überwachung gem. Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht und er folglich nach Art. 203 Abs. 3 Anstrich 4 ZK Zollschuldner wird.
Oftmals lässt sich nicht leicht feststellen, durch welche Handlung an welchem Ort die Zollschuld entstanden ist; es steht häufig nur fest, dass die Ware nicht wieder gestellt worden ist. Dann stellt sich die Frage, wer (welcher Mitgliedstaat) für die Abgabenerhebung (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, ggf. besondere Verbrauchsteuern) zuständig ist.
Dazu enthält Art. 454 Abs. 3 ZKDVO detaillierte Regelungen, die insbesondere sicherstellen, dass die Erhebung der nach dem Gemeinschaftsrecht völlig unabhängig vom Ort des Entstehens entstandenen Eingangsabgabeschuld, aber auch etwaige nationale Abgaben (z.B. EUSt) nicht letztlich verjährten, weil keiner der von dem Versandverfahren betroffenen Mitgliedstaaten sich für zuständig hält bzw. weil ein bereits ergangener Abgabebescheid aufgehoben werden muss, da sich nachträglich die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates herausstellt.
Die Aufkommensneutralität dieses Erhebungsverfahrens wird durch ein in der Vorschrift angeordnetes zwischenstaatliches Ausgleichsverfahren gewährleistet. Beachten Sie zu diesen Regelungen das EuGH-Urteil vom 23.3.2000 Rechtssache C-310/98 (HFR 2000, 457).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.10.2000, VII R 107/97