Hat der Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, greift bei Fahrten zwischen ihr und der Wohnung des Arbeitnehmers lediglich die Entfernungspauschale, wodurch die Höhe des Werbungskostenabzugs (WK-Abzugs) begrenzt wird (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG).
Nach § 9 Abs. 4 EStG kann jeder Arbeitnehmer nur eine erste Tätigkeitsstätte (und nicht mehrere Tätigkeitsstätten) i.R.d. jeweiligen Arbeitsverhältnisses innehaben. Gegebenenfalls hat der Arbeitnehmer (z.B. als Bau- oder Montagearbeiter) aber auch keine erste Tätigkeitsstätte.
Es ist daher zunächst zu klären, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte vorliegen.
a) Ortsfeste betriebliche Einrichtung
Zunächst ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es sich um eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten (z.B. eines Kunden) handeln muss. Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind
- räumlich zusammengefasste Sachmittel,
- die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und
- mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
Die Ableistung von Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten in einer Einrichtung des Arbeitgebers ist eine Tätigkeit in einer ersten Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG.
Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht.
Keine erste Tätigkeitsstätte: Nicht ortsfest sind dagegen Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe. Auch das häusliche Arbeitszimmer des Arbeitnehmers ist keine Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten und kann daher keine erste Tätigkeitsstätte sein.
b) Zuordnung durch Arbeitgeber
Sodann bestimmt sich die Frage des Vorliegens einer ersten Tätigkeitsstätte nach einer eventuell vorliegenden Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber. Beachten Sie: Liegt eine solche Zuordnung nicht vor, kann sich eine erste Tätigkeitsstätte auch aus quantitativen Kriterien ergeben.
Arbeits-/dienstrechtliche Festlegung: Die Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig anhand der arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber. Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen. Folge der Zuordnung: Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte entsprechend zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder auch anderen Tätigkeitsstätten ausübt, d.h. auch ein nur gelegentlicher Aufenthalt an der Tätigkeitsstätte reicht aus.
Dauerhaftigkeit der Zuordnung: Erforderlich ist jedoch, dass die Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber dauerhaften Charakter hat. Dies ist der Fall bei
- unbefristeter Zuordnung. Dies ist der Fall, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt,
- Zuordnung für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses,
- Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
Die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen, ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, ist keine Zuordnung i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG.
Persönliches Erscheinen des Arbeitnehmers: Erforderlich ist in jedem Fall, dass der Arbeitnehmer zumindest in ganz geringem Umfang in der vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Die Abgabe von Krank- oder Urlaubsmeldungen durch Dritte (z.B. mittels Post, Bote oder Familienangehörige) reicht für eine Zuordnung ebenfalls nicht aus, da ein Tätigwerden auch ein persönliches Erscheinen des Arbeitnehmers voraussetzt.
Eindeutige Kommunikation der Zuordnungsentscheidung: Außerdem ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung eindeutig dokumentieren muss, z.B. durch Regelungen im Arbeitsvertrag, in Protokollnotizen, dienstlichen Verfügungen, Einsatzplänen, Reisekostenabrechnungen etc.
Eine (stillschweigende) Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt s...