1. Urteil vom 4.5.2023 (C-516/21) zur Vermietung von Grundstücken und Betriebsvorrichtungen
EuGH: Mit Urteil vom 4.5.2023 hat der EuGH auf Vorlage des BFH noch einmal seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass einheitliche wirtschaftliche Vorgänge mehrwertsteuerlich einheitlich zu beurteilen sind. Ist also eine Leistung als Nebenleistung zu einer anderen Leistung, der Hauptleistung, anzusehen, ist erstere ebenso zu behandeln wie letztere.
Vermietung eines Gebäudes ist einschließlich der Nebenleistungen steuerfrei: Wird also ein Gebäude, in dem sich auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen (VuM) befinden, mehrwertsteuerfrei vermietet und ist die Vermietung des Gebäudes und der VuM als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang anzusehen, bei dem die steuerfreie Gebäudevermietung die Hauptleistung darstellt, ist die Vermietung der VuM ebenfalls steuerfrei.
Kein "Aufteilungsgebot": Das ist eigentlich selbstverständlich. Würde man die Vermietung des Gebäudes und der VuM hinsichtlich der Steuerbefreiung getrennt beurteilen, wie es das sog. "Aufteilungsgebot" in der deutschen Rechtspraxis nahelegt, würde es sich ja nicht um eine einheitliche Leistung handeln. Mit Blick auf die Fragen des Leistungsortes, des Leistungszeitpunkts etc. einer einheitlichen Leistung ist eine getrennte Beurteilung unseres Wissens daher auch nie diskutiert worden.
BFH: Der BFH hat die Feststellungen des EuGH in der Nachfolgeentscheidung vom 17.8.2023 bestätigt.
2. Ständige Rechtsprechung des EuGH (mit einer Ausnahme)
Rspr. des EuGH zur Einheitlichkeit: Im Prinzip hat der EuGH das auch schon immer so festgestellt. Zum Beispiel mit Blick auf die Vermietung von Wohnungen mit Pkw-Stellplätzen, die Besichtigung eines Fußballstadions mit anschließendem Museumsbesuch (zum anwendbaren Steuersatz) und – last but not least bereits im Jahr 2018 – die Vermietung von Grundstücken samt VuM.
(Einzige) Ausnahme: Einziger Ausnahmefall, in dem der EuGH die Anwendung von zwei Steuersätzen auf einen Umsatz für möglich gehalten hat, war die Entscheidung ‚Talacre Beach‘. Hierin hatte der Gerichtshof allerdings betont, dass hiermit keine generelle Abkehr von den Grundsätzen der einheitlichen Leistungen zu sehen sei. Die Sonderregelungen in Art. 28 der 6. MwSt-Richtlinie, die diesem Fall zugrunde lagen, stünden vielmehr außerhalb des harmonisierten Rahmens und wichen von den grundlegenden Vorgaben der Richtlinie ab. Deshalb müsse in diesen Fällen in stärkerem Maße darauf geachtet werden, dass die Ausnahmen nicht ausgeweitet würden.
3. Kein "Aufteilungsgebot": Systematisch zutreffende Beurteilung
Systematisch klar: Es bleibt also dabei, dass einheitliche Leistungen mehrwertsteuerlich einheitlich zu beurteilen sind. Ein "Aufteilungsgebot" – dem zufolge in der deutschen Rechtspraxis einzelne Bestandteile einheitlicher Umsätze mit Blick auf einzelne Tatbestandsmerkmale (Steuerbefreiung, Steuersatz) unterschiedlich zu beurteilen sein sollen – gibt es nicht. Die Entscheidungen des EuGH und des BFH bedeuten in Deutschland also eine Rückkehr zur mehrwertsteuerlichen Systematik.
In diversen Fällen Vereinfachung: Das erleichtert die Rechtsfindung – allein schon deshalb, weil das vorgenannte "Aufteilungsgebot" rechtlich nie klar definiert worden ist. In welchen Fällen das "Aufteilungsgebot" greifen soll, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und für welche Tatbestandsmerkmale es gelten soll, kann, wenn überhaupt, allein auf der Grundlage einer komplexen Kasuistik erschlossen werden. Darüber hinaus dürfte sich in vielen Fällen die Relevanz der zum Teil sehr aufwendigen und mit Rechtsunsicherheiten belasteten Abgrenzung vermindern, was zu den VuM gehört und was nicht.