LfSt Bayern v. 8.2.2016, S 0619.1.1 - 1/6 St 42
1. Beschränkung der Einspruchsbefugnis auf vertretungsberechtigte Geschäftsführer
Nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative AO können gegen einheitliche Feststellungsbescheide die zur Vertretung berufenen Geschäftsführer Einspruch einlegen. Die Frage, wer zur Geschäftsführung und Vertretung berufen ist, richtet sich nach den zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 709 ff. BGB für die BGB-Gesellschaft, §§ 114 ff. HGB für die OHG sowie §§ 164, 161 Abs. 2 und 114 ff. HGB für die KG), ggf. i.V.m. den gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden und nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt, müssen alle vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Einspruchseinlegung zustimmen.
Bei Einzelvertretungsmacht ist jeder vertretungsberechtigte Geschäftsführer zur Einspruchseinlegung befugt (BFH-Urteil vom 4.5.1972, IV 251/64, BStBl 1972 II S. 672).
Der zur Vertretung berufene Geschäftsführer handelt nicht im eigenen Namen, sondern als Prozessstandschafter der Gesellschaft und damit aller Gesellschafter (z.B. BFH-Urteile vom 22.11.88, VIII R 90/84, BStBl 1989 II S. 326 und vom 26.10.1989, IV R 23/89, BStBl 1990 II S. 333). Der von diesem eingelegte Einspruch ist ein solcher der Gesellschaft.
Die Einspruchsbefugnis des Inhabers des Handelsgeschäfts bei einer atypisch stillen Gesellschaft ist bei Anwendung des § 352 AO nicht mit der Einspruchsbefugnis des Geschäftsführers gleichzusetzen. Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann daher vom Inhaber des Handelsgeschäfts nicht nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative angefochten werden (BFH-Beschluss vom 3.3.1998, BStBl 1998 II S. 401).
Die Anwendung des § 352 AO ist nicht auf Feststellungsbeteiligte beschränkt, sondern gilt auch, wenn eine nicht der Gesellschaft angehörige Person vertretungsberechtigter Geschäftsführer ist. Dies sind z.B. Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte und Generalbevollmächtigte.
Die beschränkte Einspruchsbefugnis gilt auch bei inländischen Gesellschaftern einer ausländischen Personengesellschaft (BFH-Urteil vom 18.8.2015, I R 42/14, BFH/NV 2016 S. 164).
2. Beschränkung der Einspruchsbefugnis auf Empfangsbevollmächtigte i.S. von § 183 AO bzw. § 6 Abs. 1 der VO zu § 180 Abs. 2 AO
Betrifft die einheitliche Feststellung eine Personengruppe, die keinen zur Vertretung befugten Geschäftsführer hat (z.B. eine atypisch stille Gesellschaft, Erbengemeinschaft, Miteigentümer-Vermietungsgemeinschaft u.ä.), so gilt nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative i.V.m. Abs. 2 AO in Anknüpfung an die Bekanntgabevereinfachungen nach § 183 AO und § 6 Abs. 1 der Verordnung (VO) zu § 180 Abs. 2 AO Folgendes:
- Haben die Feststellungsbeteiligten gem. § 183 Abs. 1 Satz 1 AO bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt, so ist nach § 352 Abs. 2 Satz 1 AO ausschließlich dieser einspruchsbefugt, soweit das Finanzamt dem Belehrungsgebot (vgl. Tz 2.1) nachgekommen ist und kein Sonderfall des § 352 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 AO vorliegt. Der gemeinsame Empfangsbevollmächtigte muss nicht von sämtlichen Feststellungsbeteiligten bestellt worden sein (vgl. AEAO zu § 122 AO Nr. 2.5.2), sondern vertritt dann nur die Beteiligten, die ihn bestellt haben. Seine Einspruchsbefugnis erstreckt sich nur auf diese Feststellungsbeteiligten. Die übrigen Feststellungsbeteiligten werden im weiteren Verfahren so behandelt, als sei kein Empfangsbevollmächtigter bestellt worden. Ihnen ist der Feststellungsbescheid einzeln bekannt zu geben. Sie sind jeweils einzeln befugt, Einspruch einzulegen.
- Haben die Feststellungsbeteiligten keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt oder ist ein solcher (z.B. wegen Widerrufs der Empfangsvollmacht) nicht mehr vorhanden, steht, soweit vorhanden, die Einspruchsbefugnis dem nach § 183 Abs. 1 Satz 2 AO fingierten Empfangsbevollmächtigten (Vertretungs- bzw. Verwaltungsberechtigter) zu. Dies gilt nicht, wenn der gesetzlich fingierte Empfangsbevollmächtigte der Geschäftsführer ist; in diesem Fall richtet sich die Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative AO.
- Ist auch ein fingierter Empfangsbevollmächtigter nicht vorhanden, kann die Finanzbehörde unter den Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 3 bis 5 AO bzw. § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 5 der VO zu § 180 Abs. 2 AO einen Empfangsbevollmächtigten bestimmen. Diesem steht die Einspruchsbefugnis zu, wenn das Finanzamt das durch § 183 AO bzw. § 6 der VO zu § 180 Abs. 2 AO vorgegebene Verfahren eingehalten hat (Aufforderung zur Benennung eines Empfangsbevollmächtigten durch die Feststellungsbeteiligten mit angemessener Fristsetzung und Mitteilung des Namens des vom Finanzamt vorgesehenen Empfangsbevollmächtigten – vgl. UNIFA-Vorlage „Benennung Empfangsbevollmächtigten” (Ordner Zentral -> Veranlagung -> Feststellungsverfahren), Hinweis im Feststellungsbescheid auf die Bekanntgabewirkung für und gegen alle Festsetzungsbeteiligten).
2.1. Belehrungsgebot
Die grundsätzliche Beschränkung der Einspruchsb...