Leitsatz
1. Ergibt sich aus weiteren Vereinbarungen, die mit einem Grundstückskaufvertrag in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (Festhalten an der ständigen Rechtsprechung).
2. Gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zum einheitlichen Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht bestehen keine unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8, § 9 GrEStG
Sachverhalt
Die Kläger erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 16.11.2005 je zur Hälfte ein unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 46.314 EUR. Das FA setzte die Grunderwerbsteuer zunächst unter Ansatz dieses Kaufpreises fest. Später stellte sich heraus, dass die Kläger am 30.11.2005 einen Bauerrichtungsvertrag mit T über die Errichtung einer schlüsselfertigen Doppelhaushälfte auf dem erworbenen Grundstück abgeschlossen hatten. In den Erwerb des Grundstücks und die Bauplanung war ein Baubetreuungsunternehmen (E) einbezogen, das in einer gemeinsamen Werbebroschüre mit der T in Bezug auf die Bauplanung und Bauerrichtung aufgetreten war und von den Grundstückseigentümern die Erlaubnis erhalten hatte, das unbebaute Grundstück am Markt anzubieten. Das FA bejahte einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und dem im zeitlichen Zusammenhang damit abgeschlossenen Bauerrichtungsvertrag und erhöhte die Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage. Das FG gab der Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.8.2011, 7 K 192/09, 7 K 193/09, Haufe-Index 2908557, EFG 2012, 730).
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im Streitfall lag ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskauf- und Bauerrichtungsvertrag vor, weil die Kläger das entsprechende einheitliche Angebot der Veräußererseite angenommen und E und T durch abgestimmtes Verhalten auf den gemeinsamen Abschluss beider Verträge hingewirkt hatten.
Hinweis
Kaum eine Rechtsfrage des Grunderwerbsteuerrechts hat in den vergangenen Jahren die Gemüter so erhitzt wie die vom BFH entwickelte Rechtsfigur des sog. grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands. Aufgrund der hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze kann Gegenstand eines Erwerbsvorgangs ein künftiger Grundstückszustand (z.B. das Grundstück in noch zu bebauendem Zustand) sein. Dies hat die unliebsame Folge, dass auch die Bauerrichtungskosten (einschließlich der dafür anfallenden Umsatzsteuer) in die Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen sind.
1. Grundlage eines einheitlichen Erwerbsvorgangs kann insbesondere ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem die Grundstücksbebauung betreffenden Vertrag sein. Hierbei kommt es nicht auf die zeitliche Reihenfolge an, in der der Grundstückskaufvertrag und der die Bauerrichtung betreffende Vertrag abgeschlossen werden. Dabei unterscheidet die BFH-Rechtsprechung zwei Fallgruppen:
a) |
Ein objektiver Zusammenhang liegt vor, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten wird. Derartige Verhältnisse sind gegeben, wenn der Erwerber das Grundstück aufgrund faktischer Zwänge oder vorheriger Absprachen nur als von der Veräußererseite noch zu bebauendes erhalten kann. |
b) |
Ebenso wird ein objektiv sachlicher Zusammenhang der mehreren Verträge (widerleglich) indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt. |
Für die Annahme eines einheitlichen Angebots (Fallgruppe b) hat der BFH weitere Detailfragen in zahlreichen Entscheidungen geklärt. So muss das Angebot der Veräußererseite bis zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags abgegeben worden sein. Nicht erforderlich ist jedoch, dass das Angebot in einem einzigen Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis unterbreitet wurde. Bei mehreren Personen auf der Veräußererseite ist ein objektiv enger Zusammenhang gegeben, wenn die Personen personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind. Gleiches gilt, wenn die mehreren Personen aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grund...