Leitsatz
1. Bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts eines Flachdachgebäudes im Altbundesgebiet ist das von den Außenwänden des Gebäudes gänzlich umschlossene Raumvolumen voll anzurechnen.
2. Befinden sich unterhalb des Dachs Versorgungsleitungen, die mittels einer abgehängten Decke der Sicht entzogen sind, steht dies der Vollanrechnung nicht entgegen.
Normenkette
§ 76 Abs. 3 Nr. 2, § 85, § 92 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Erbbauberechtigte an einem Grundstück, auf dem im Jahre 2016 ein Gebäude zum Betrieb eines Supermarkts errichtet worden war. Es handelt sich um einen Flachdachbau mit einem Erd- und einem Obergeschoss, das sich über eine Teilfläche des Erdgeschosses erstreckt. Im gesamten Gebäude sind unterhalb des Flachdachs bzw. der Erdgeschossdecke zum Zwecke des Sichtschutzes abgehängte Decken eingezogen. Darüber verlaufen die Versorgungsleitungen.
Das FA setzte bei der Feststellung des Einheitswerts für das bebaute Grundstück auf den 1.1.2017 den Zwischenraum zwischen der abgehängten Decke und dem Dach in dem Teil des Gebäudes, über den sich das Obergeschoss nicht erstreckt, entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur mit einem Drittel des Rauminhalts, sondern in vollem Umfang an. Die Klage blieb erfolglos (FG Hamburg, Urteil vom 3.7.2018, 3 K 236/17, Haufe-Index 12033919, EFG 2018, 1613).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Bei der Berechnung des Gebäudewerts sei das Raumvolumen zwischen der abgehängten Decke, den Außenwänden und der Dachhaut voll anzurechnen.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts eines Flachdachgebäudes im Altbundesgebiet, bei dem sich unterhalb des Dachs Versorgungsleitungen befinden, die mittels einer abgehängten Decke der Sicht entzogen sind.
1. Ist ein Erbbaurecht nach § 92 BewG i.V.m. § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren nach §§ 83ff. BewG zu bewerten, ist für die Ermittlung des Gebäudewerts nach § 85 BewG zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG), der sodann nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) auf den Gebäudenormalherstellungswert umzurechnen ist (§ 85 Satz 2 BewG). Weitere Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält das BewG nicht.
2. Die am 19.9.1966 erlassenen BewRGr behandeln das Bewertungsrecht betreffende Zweifels- und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung und dienen primär der einheitlichen Anwendung des Bewertungsrechts durch die Finanzbehörden. Die Rechtsprechung ist zwar an diese Richtlinien nicht gebunden, hat aber die dadurch bewirkte Selbstbindung der Verwaltung zu beachten, soweit sie sich – wie in dem vom BFH entschiedenen Streitfall – in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder der Pauschalierung bewegt. Die Selbstbindung der Verwaltung bezieht sich auf die BewRGr einschließlich ihrer Anlagen, nicht hingegen auf Entscheidungen in Einzelfällen.
3. Für Dachgeschosse gilt Folgendes:
a) Nach Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr ist der umbaute Raum nach DIN 277 (November 1950) zu berechnen. Ausgebaute Dachgeschosse werden mit dem vollen Rauminhalt angesetzt, nicht ausgebaute Dachräume mit einem Drittel ihres Rauminhalts. Letzteres gilt auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist (z.B. unterhalb des Dachs aufgehängte Staubdecke). Abschn. 37 Abs. 1 Sätze 1 und 5 BewRGr verweisen zudem auf die Anlage 12 zu den BewRGr.
b) Anlage 12 zu den BewRGr schreibt die Berechnung des umbauten Raums nach DIN 277 (1950) vor. Sie enthält Zeichnungen, die u.a. durch unterschiedliche Schraffuren den voll anzurechnenden umbauten Raum sowie den mit einem Drittel anzurechnenden Raum ausweisen. Neben die Zeichnungen sind Berechnungsanweisungen in Textform gestellt.
Voll anzurechnen ist der umbaute Raum eines Gebäudes, der seitlich von den Außenflächen der Umfassungen umschlossen wird. Die Umschließung nach oben wird gebildet bei nicht ausgebautem Dachgeschoss von den Oberflächen der Fußböden über den obersten Vollgeschossen, bei ausgebautem Dachgeschoss von den Außenflächen der umschließenden Wände und Decken, bei Dachdecken, die gleichzeitig die Decke des obersten Vollgeschosses bilden, von den Oberflächen der Tragdecke oder Balkenlage und bei Gebäuden oder Bauteilen ohne Geschossdecken von den Außenflächen des Dachs.
4. Unter ausführlicher Würdigung dieser Regelungen einschließlich der Zeichnungen sowie baurechtlicher Vorschriften kommt der BFH zu folgenden Ergebnissen:
a) Der Raum oberhalb einer nicht begehbaren Decke ist kein Dachgeschoss, auch wenn er in den Dachraum hineinragt. Dieser Raum kann kein selbstständiges Geschoss und damit auch kein Dachgeschoss sein; denn auch das nicht ausgebaute Dachgeschoss setzt einen Fußboden voraus, den man betreten kann.
b) Die bewertungsrechtlich...