Leitsatz
1. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört zu den "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Fremdunüblichkeit der Geschäftsbeziehung führen kann; Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA‐USA 1989 und Art. 5 DBA‐Frankreich 1959).
2. Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles fremdvergleichskonform ist, hängt davon ab, ob auch ein fremder Dritter – ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen – das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Als "fremde Dritte" kommen insoweit nicht nur Banken, sondern auch andere Kreditgeber in Betracht, wenn es für die konkrete Finanzierung einen Markt gibt, auf dem solche Kreditgeber tätig sind.
3. Wäre ein unbesichertes Konzerndarlehen nur mit einem höheren als dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz fremdüblich, hat eine Einkünftekorrektur vorrangig in Höhe dieser Differenz zu erfolgen.
4. Im Rahmen von Feststellungen zum Fremdvergleich ist die Ausreichung unbesicherter Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft nicht geeignet, die Würdigung des einer (Tochter-)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab einer fremdüblichen Kreditgewährung zu ersetzen.
5. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA‐USA 1989 und Art. 5 DBA‐Frankreich 1959) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
6. Das Vorliegen einer "gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung" i.S. des § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG ist unter Heranziehung des für die ausländische Tochtergesellschaft maßgebenden materiellen Gesellschaftsrechts zu beurteilen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG, Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk, Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989, Art. 5 DBA-FRA 1959, Art. 49, Art. 63, Art. 64 Abs. 1 AEUV, § 8a Abs. 1 KStG 2002 n.F., § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, war im Streitjahr (2005) an in‐ und ausländischen Gesellschaften beteiligt. Die Klägerin und mit dieser gemäß §§ 14ff. KStG verbundene Organgesellschaften gewährten verschiedenen nachgeordneten – in Frankreich und den USA ansässigen und jeweils nicht organschaftlich verbundenen – Gesellschaften Darlehen. Diese waren überwiegend festverzinst; für ein Darlehen war anstelle eines festen Zinssatzes als Gegenleistung eine jährliche Beteiligung i.H.v. 12,5 % am Bilanzgewinn der nachgeordneten Gesellschaft, begrenzt durch einen Höchstbetrag i.H.v. 25 % des Darlehensvolumens, vereinbart. Sicherheiten wurden nicht geleistet. Im Streitjahr schrieb die Klägerin diese Darlehen gewinnmindernd i.H.v. ... EUR ab.
Zudem übertrug die Klägerin Wirtschaftsgüter zu Buchwerten auf eine maltesische Tochterkapitalgesellschaft, deren Alleingesellschafterin sie war, und brachte die Anteile an dieser Gesellschaft gemäß dem im Streitjahr geltenden § 23 Abs. 4 UmwStG ebenfalls zu Buchwerten im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine weitere in Malta ansässige Kapitalgesellschaft ein.
Schließlich erzielten die Klägerin und deren Organgesellschaften im Streitjahr Zinseinnahmen aus Darlehensforderungen gegen verschiedene ausländische nachgeordnete Gesellschaften.
Das FA rechnete bei der Einkommensermittlung die Gewinnminderungen aufgrund der Teilwertabschreibungen außerbilanziell wieder hinzu, erhöhte den Bilanzansatz für die übertragenen Wirtschaftsgüter um ... EUR und behandelte die Zinseinnahmen in voller Höhe als steuerpflichtig.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg (FG Köln, Urteil vom 22.2.2017, 13 K 493/12). Sowohl die Klägerin als auch das FA haben hiergegen Revision beim BFH eingelegt.
Entscheidung
Beide Revisionen waren erfolgreich und führten zur Aufhebung des FG-Urteils. Wegen der Gründe wird auf die Praxis-Hinweise Bezug genommen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG insbesondere die nach § 1 Abs. 1 AStG gebotene Fremdvergleichsprüfung vornehmen müssen.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung stellt den vorläufigen Schlusspunkt in einer Reihe jüngerer Entscheidungen dar, die sich mit Darlehensgewährungen im Konzern und dem hierbei durchzuführenden Fremdvergleich befassen. Auf die beiden in diesem Heft abgedruckten Urteilskommentierungen zu den Revisionsurteilen vom 18.5.2021 (I R 4/17 und I R 62/17) wird ausdrücklich verwiesen.
2. Der Schwerpunkt der Rechtsprüfung im Verfahren I R 32/17 lag zunächst in der Beantwortung der Frage, ob eine Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG überhaupt in Betracht kommt, wenn ein unbesichertes Konzerndarlehen hingegeben wird und der Darlehensgeber später eine Teilwertabschreibung wegen Uneinbringlichkeit der Darlehensforderung vornimmt. Der BFH hatte dies im Jahr 2019 – unter Änderung seiner Rechtsprechung – in mehreren Grundsatzurte...