Leitsatz
Bei der Berechnung der Einkünfte des Kindes, das einen dualen Ausbildungsgang absolviert, sind die Fahrt- und Unterkunftskosten für den Studienaufenthalt an der Hochschule bei der Berechnung der Einkünfte nach § 32 Abs. 4 Nr. 2a Satz 2 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Die im Jahr 1991 geborene Tochter des Klägers absolviert seit dem 1.10.2009 im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses ein duales Hochschulstudium. Der Arbeitgeber zahlt ihr ganzjährig eine monatliche Vergütung und hat das Direktionsrecht gegenüber der Auszubildenden. In den Praxisphasen arbeitet die Tochter in der Steuerkanzlei des Arbeitgebers. Die Familienkasse (FK) hat die Ausbildungsvergütung nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sondern als Bezüge eingestuft und daher keine Werbungskosten anerkannt. Dadurch wurde der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG überschritten und die Kindergeldfestsetzung aufgehoben. Mit der Klage beantragt der Kläger, die Ausbildungsvergütung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu behandeln und den Abzug der geltend gemachten Fahrt- und Unterkunftskosten zuzulassen.
Entscheidung
Das FG hat unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH entschieden, dass Kinder in einem dualen Ausbildungssystem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, und daher auch ihre Werbungskosten abziehen können. Bei der Ermittlung der Werbungskosten ist zu berücksichtigen, dass nach dem Urteil des BFH v. 22.10.2009 (III R 101/07) eine vorübergehend aufgesuchte Ausbildungseinrichtung (Fachhochschule) nicht als zweite regelmäßige Arbeitsstätte eines sich in Ausbildung befindlichen Arbeitnehmers anzusehen ist, mit der Folge, dass die Fahrt- und Unterkunftskosten für den Besuch der Hochschule als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen sind. Dabei ist es unerheblich, dass in einem Jahr die Studienphasen gegenüber den praktischen Ausbildungsabschnitten zeitlich überwiegen.
Hinweis
Das Urteil des FG ist rechtskräftig geworden, da das FG wegen der durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärten Rechtslage keine Revision zugelassen hat. Wenn in vergleichbaren Fällen die FK bei einem dualen Hochschulstudium die Ausbildungsvergütung nicht als Einkünfte sondern als Bezüge behandelt, sollte gegen die Ablehnung des Kindergeldes unter Hinweis auf das vorstehende Urteil Einspruch eingelegt, und die Berücksichtigung der Werbungskosten beantragt werden. Ab dem Jahr 2012 wird sich dieses Problem nicht mehr stellen, da nach dem Steuervereinfachungsgesetz ab 1. 1. 2012 die Höhe der Einkünfte und Bezüge eines in Ausbildung befindlichen volljährigen Kindes keine Rolle mehr spielt.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2011, 10 K 1105/11