Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
6.1 Grundlagen
Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahrs bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Ausgaben sind dementsprechend für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Diese Regelungen werden allgemein als Zu- bzw. Abflussprinzip bezeichnet.
6.1.1 Einnahmen
Der Zufluss von Einnahmen erfolgt erst mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Geld oder ein Wirtschaftsgut. Erfolgt der Zahlungseingang bei einem Bevollmächtigten, z. B. durch eine privatärztliche Verrechnungsstelle, gilt der Betrag auch bei dem Unternehmer als zugeflossen.
Bei Zahlung durch Scheck erfolgt der Zufluss grundsätzlich mit Entgegennahme. Bei Zahlung mittels Kreditkarte erfolgt der Zufluss bei Gutschrift auf dem Bankkonto durch den Kartenausgeber. Bei einer Aufrechnung ist der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung maßgebend, sofern beide Forderungen fällig sind. Bei Überweisungen liegt eine Vereinnahmung auch dann erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Zahlungsempfängers vor, wenn die Wertstellung bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird.
6.1.2 Ausgaben
Der Abfluss erfolgt durch Zahlung, Überweisung oder Hingabe eines Schecks (nicht erst bei Belastung). Bei Kreditkartenzahlung gilt die Unterschriftsleistung als Abfluss. Auch Vorauszahlungen sind grundsätzlich im Zeitpunkt des Abflusses Betriebsausgaben. Werden allerdings Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als 5 Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.
6.1.3 Ausnahmen vom Zu-/Abflussprinzip
Ausnahmen vom Zu-/Abflussprinzip gelten für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen bzw. Ausgaben, die dem Unternehmer kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahrs, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind. Diese gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen bzw. abgeflossen, wobei als "kurze Zeit" ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen gilt. Innerhalb dieses Zeitraums müssen die Zahlungen fällig und geleistet worden sein.
Eine Verlängerung des 10-Tage-Zeitraums kommt auch im Hinblick auf die nach § 108 Abs. 3 AO hinausgeschobene Fälligkeit von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen nicht in Betracht.
Erfolgt in diesen Fällen jedoch die Zahlung innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres, ist der Betriebsausgabenabzug im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit vorzunehmen. Von Bedeutung ist das erst wieder 2026, da der 10.1.2026 ein Samstag ist.
Weitere Voraussetzung ist, dass der Betrag auch innerhalb des 10-Tages fällig geworden ist. So kann eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember, die zwar innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums geleistet, aber wegen einer Dauerfristverlängerung erst danach fällig wird, erst im Jahr des Abflusses als Betriebsausgabe berücksichtigt werden.
Beispiele für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben: Miet-, Lohn-, Versicherungszahlungen, Zahlung vorangemeldeter Umsatzsteuerbeträge; nicht jedoch Gratifikationen, übrige Steuerzahlungen oder Wareneinkäufe.
Ebenfalls ausgenommen vom Zu-/Abflussprinzip ist die Behandlung von abnutzbarem und nicht abnutzbarem Anlagevermögen, geringwertigen Wirtschaftsgütern, durchlaufenden Posten und Rücklagen. Nach § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG sind die Vorschriften über die anschaffungsnahen Herstellungskosten in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sowie über die Bewertung von Entnahmen und Einlagen in § 6 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entsprechend anwendbar.
6.2 Vergleich des Zu- bzw. Abflussprinzips und der wirtschaftlichen Zugehörigkeit
Für die Gewinnermittlung durch Bilanzierung gilt dagegen das Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit des § 252 Nr. 5 HGB. Danach sind Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen. Den Unterschied verdeutlicht folgendes Beispiel:
Zu- und Abflussprinzip
Unternehmer A ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Er lässt seinen betrieblichen Pkw am 29.12.01 reparieren. Die Rechnung der Werkstatt hat er noch am 31.12.01 in der Post. Am 5.1.02 überweist er den Rechnungsbetrag.
Als Überschussrechner gilt für ihn das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG und die Ausgaben sind im Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Dementsprechend kann er die Reparaturkosten erst in 02 berücksichtigen.
Unternehmer B ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Auch er lässt seinen betrieblichen Pkw am 29.12.01 reparieren. Für ihn gilt das Abflussprinzip nicht. Unabhängig vom Vorliegen einer Rechnung oder von der Zahlung, muss er den Aufwand bereits in seinem Abschluss für das Jahr 01 berücksichti...