Leitsatz
Für die Einhaltung der zweijährigen Antragsfrist bei der Antragsveranlagung genügt die fristgerechte Einreichung des unterschriebenen und ausgefüllten Mantelbogens der ESt-Erklärung auch dann nicht, wenn die übrigen Anlagen der Steuererklärung nach Ablauf der Zweijahresfrist nachgereicht werden. Mängel bei der ESt-Erklärung, die als frist- und formgerechter Antrag auf Durchführung einer Veranlagung gewertet werden soll, dürfen nicht so schwerwiegend sein, dass das ordnungsgemäße Veranlagungsverfahren nicht in Gang gesetzt werden kann.
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2001 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am 23.12.2003 ging bei dem Beklagten der vom Kläger unterzeichnete Mantelbogen seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr ein. Mit Schreiben vom 5.3.2004 übersandte der Kläger die noch fehlenden Unterlagen, insbesondere die LSt-Bescheinigung für das Streitjahr sowie u. a. die Anlage Kinder und die Anlage N. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.3.2004 den Antrag auf Durchführung einer ESt-Veranlagung für das Streitjahr ab. Der Einspruch des Klägers war erfolglos, so dass er Klage erhob, um unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung den Beklagten zu verpflichten, die ESt-Veranlagung für das Streitjahr durchzuführen.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des FG Brandenburg hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass die Antragsveranlagung für das Streitjahr durchgeführt wird. Im Streitfall fehle es an einer fristgerecht eingegangenen, wirksamen Steuererklärung des Klägers und somit an einem Antrag auf Durchführung der ESt-Veranlagung innerhalb der gesetzlich bestimmten Zweijahresfrist (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG). Der vor Ablauf dieser Frist eingereichte Mantelbogen stelle keinen wirksamen Antrag auf Veranlagung zur ESt des Streitjahrs dar. Es reiche zur Fristwahrung nicht aus, dass der Steuerpflichtige seinen Willen zur Veranlagung ausdrücke. Erforderlich sei darüber hinaus vielmehr, dass dies in der Form der ESt-Erklärung geschehe. Liege eine wirksame Steuererklärung nicht vor, so sei auch der Antrag auf Veranlagung zur ESt nicht wirksam gestellt. Der bis zum Ablauf des Jahres 2003 allein eingegangene Mantelbogen stelle schon deshalb keine als Antrag auf Veranlagung ausreichende ESt-Erklärung dar, weil er ohne jede Beifügung von vorgeschriebenen Anlagen einen wesentlichen Erklärungsinhalt nicht aufweise. Er beinhalte lediglich Angaben zur Person des Klägers und zu den Einkunftsarten, so dass er nicht geeignet sei, dem FA als Grundlage für eine Steuerfestsetzung zu dienen. Dass der Kläger zusammen mit dem Mantelbogen unter anderem auch die Anlage N, welche die Angaben zum Arbeitslohn und der einbehaltenen Lohnsteuer enthalte, dem Beklagten übersandt habe, habe er weder nachgewiesen noch lasse sich dies sonst feststellen. Zur Überzeugung des Gerichts stand nach Beweisaufnahme nicht fest, dass bis zum Ablauf des 31.12.2003 mehr als der Mantelbogen beim Beklagten eingegangen sei. Der erkennende Senat verneint die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO). Wiedereinsetzung von Amts wegen scheide schon deshalb aus, weil die Gründe für die verspätete Einreichung der zur Vervollständigung der Steuererklärung notwendigen Unterlagen nicht erkennbar seien und deshalb ohne einen begründeten Antrag auf Wiedereinsetzung nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger unverschuldet gehandelt habe. Wiedereinsetzung aufgrund eines Antrags scheide aus, weil ein solcher Antrag nicht gestellt worden sei.
Hinweis
Der erkennende Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Inzwischen bestehen an der gesetzlich bestimmten Zweijahresfrist bei Antragsveranlagung verfassungsrechtliche Zweifel. Der sechste Senat des BFH hat mit Entscheidung vom 22.5.2006 dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle die Frage vorgelegt, ob § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG (1996) mit dem GG insoweit unvereinbar ist, als der Antrag auf Veranlagung bis zum Ablauf des auf den VZ folgenden zweiten Kalenderjahrs zu stellen ist (BFH Beschluss vom 22.5.2006, VI R 46/05, BFH/NV 2006, 1946; Az. BVerfG 2 BvL 56/06). Entgegen der bisher in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung sieht der vorlegende sechste Senat des BFH in der zweijährigen Antragsfrist einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Steuerpflichtige, bei denen die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung vorliegen, können - anders als die Steuerpflichtigen, die auf eine Antragsveranlagung beschränkt sind - die Durchführung einer Veranlagung nach den Vorschriften der AO über die Festsetzungsverjährung noch bis zum Ablauf des auf den VZ folgenden siebten Kalenderjahrs erreichen. Droht der Ablauf der Zweijahresfrist bei einer Antragsveranlagung ist der Berater auf der sicheren Seite, wenn er neben dem ausgefüllten und unterschriebenen Mantelbogen auch die ausgefüllten Anlagen zur ESt-Erklärung einreicht. Das FA kann in diesem Fall das reguläre Veranlagun...