Gem. § 172 Abs. 3 Satz 1 AO können außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine beim EuGH, BVerfG oder BFH (anhängige und danach) entschiedene Rechtsfrage betreffen, durch im Internet und BStBl zu veröffentlichende Allgemeinverfügung (der obersten Finanzbehörden) zurückgewiesen werden, wenn sie aufgrund der jeweiligen höchstrichterlichen Entscheidung unbegründet sind. Die Vorschrift zielt also darauf ab, schlichte Änderungsanträge nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO und Korrekturanträge nach formeller Bestandskraft ggf. ablehnen zu können, ohne dass das Finanzamt im Einzelfall noch tätig werden muss. Ein Einspruch gegen die Allgemeinverfügung ist nach § 348 Nr. 6 AO nicht möglich. Stattdessen ist binnen Jahresfrist ab dem Tag nach deren Bekanntgabe im BStBl unmittelbar die Klagemöglichkeit gegeben.
Für Einsprüche sieht § 367 Abs. 2b AO die gleiche Möglichkeit wie für Korrekturanträge vor. Solche Einsprüche können damit ebenfalls per – binnen Jahresfrist ab dem Tag nach Bekanntgabe im BStBl durch Klage anfechtbarer – Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden.
Ergeht eine Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b AO, bleibt das Einspruchsverfahren nach Auffassung der Verwaltung, die sich auf den Gesetzeswortlaut ("insoweit") stützt, im Übrigen anhängig. Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist der angefochtene Verwaltungsakt und nicht ein Teil der Besteuerungsgrundlagen oder ein einzelner Streitpunkt. Auch wenn sich die Allgemeinverfügung auf sämtliche vom Einspruchsführer vorgebrachte Einwendungen erstreckt, ist deshalb das Einspruchsverfahren im Übrigen fortzuführen. Dies gilt nicht, soweit bereits eine Teil-Einspruchsentscheidung ergangen ist, die den "noch offenbleibenden" Teil des Einspruchs auf den Umfang beschränkt hat, der Gegenstand der Allgemeinverfügung ist. Über die Rechtsfrage, die Gegenstand der Allgemeinverfügung war, kann aber in einer evtl. notwendig werdenden Einspruchsentscheidung nicht erneut entschieden werden. Zu berücksichtigen ist dann, dass für eine Klage nach einer Zurückweisung des Einspruchs durch Allgemeinverfügung und für eine Klage nach Erlass einer Einspruchsentscheidung durch die örtlich zuständige Finanzbehörde unterschiedliche Fristen gelten.
Unzulässige Einsprüche werden von einer nach § 367 Abs. 2b AO ergehenden Allgemeinverfügung nicht erfasst. Sie sind auf jeden Fall durch Einspruchsentscheidung zurückzuweisen, falls sie vom Einspruchsführer nicht zurückgenommen werden.
Kein Abschluss des Einspruchsverfahrens durch Allgemeinverfügung
Die o. g. Auffassung der Verwaltung hat zur Folge, dass ein Einspruchsverfahren durch den Erlass einer Allgemeinverfügung auch dann nicht endgültig abgeschlossen ist, wenn der Steuerpflichtige mit einem Einspruch ausschließlich Einwendungen vorbringt, die durch eine Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörde verbeschieden werden. Denn wegen des Gesamtaufrollungsprinzips des § 367 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt jeden einzelnen Einspruch auch nach Erlass einer Allgemeinverfügung in vollem Umfang erneut prüfen und einer Erledigung (z. B. durch eine abschließende "End-Einspruchsentscheidung") zuführen bzw. vor Erlass der Allgemeinverfügung eine Teil-Einspruchsentscheidung erlassen. Die Finanzämter greifen auch zunehmend auf dieses Instrument zurück.