Leitsatz
1. Tritt nach dem Verkauf einer Forderung mit Besserungsschein zum Verkehrswert der Besserungsfall ein, verwandelt sich der Verkauf nicht in eine freigebige Zuwendung.
2. Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern oder zu den Gesellschaftern einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft gibt es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen Zuwendungen.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, § 8 Abs. 3 KStG
Sachverhalt
R war Mitgesellschafter einer GmbH 2 und einer GmbH 1, die die alleinige Aktionärin einer AG war. Die GmbH 2 erlitt Verluste, die die AG durch die Gewährung von Darlehen finanzierte. Im Dezember 2003 verkauften die Gesellschafter der GmbH 2 ihre Geschäftsanteile für einen Kaufpreis von 0 EUR an die AG, die sie ihrerseits mit Vertrag vom 20.12.2004 für 1 EUR an eine dritte GmbH (GmbH 3) verkaufte, bei der R alleiniger Gesellschafter war.
Die AG verzichtete am 30.12.2004 auf die Rückzahlung der der GmbH 2 gewährten Darlehen mit einer Besserungsabrede dergestalt, dass die Forderung der AG wieder aufleben sollte, soweit ihre Erfüllung aus einem künftigen Bilanzgewinn oder Liquidationsüberschuss der GmbH 2 möglich wäre. Anschießend verkaufte die AG diesen "Besserungsschein" für einen Kaufpreis von 1 EUR an R. Als später der Besserungsfall eintrat, wurden R zum 31.12.2007 und 31.12.2008 961.593 EUR bzw. 1 Mio. EUR gutgeschrieben.
Diese Gutschriften behandelte das FA als freigebige Zuwendungen der AG an R und setzte gegen ihn Schenkungsteuer fest. Das FG Düsseldorf (Urteil vom 24.8.2011, 4 K 1027/11 Erb, Haufe-Index 2963966, EFG 2012, 952) bejahte das Vorliegen freigebiger Zuwendungen der AG an R.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und aus den vorstehend aufgezeigten Gründen freigebige Zuwendungen der AG und R verneint.
Hinweis
1. Der Erwerb einer wertlosen Forderung mit Besserungsschein kann nach der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.4.2009, II R 57/07, BStBl II 2009, 606) schenkungsteuerliche Folgen auslösen, wenn der Besserungsfall zu einem späteren Zeitpunkt eintritt und die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst mit Eintritt des Besserungsfalls entsteht. Dies setzt allerdings voraus, dass die Forderung mit der entsprechenden Besserungsabrede von vornherein geschenkt wurde. Davon abzugrenzen ist der Verkauf einer Forderung mit Besserungsabrede. Ist die verkaufte Forderung zum Verkaufszeitpunkt nicht werthaltig, führt der spätere Eintritt des Besserungsfalls keinesfalls "automatisch" zur Schenkung. Entscheidend ist vielmehr, dass der Besserungsfall erst nach dem Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) eingetreten und damit schenkungsteuerrechtlich irrelevant ist.
2. Von größter Praxisbedeutung sind die weiteren Aussagen zum Thema "Schenkungsteuer und verdeckte Gewinnausschüttung". Die dazu in den letzten Jahren höchst kontrovers geführte Diskussion kreist insbesondere um die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.3.2012 (BStBl I 2012, 331) betreffend "Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften". In diesen Erlassen (Tz. 2.6.1 und 2.6.2) vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Zahlung überhöhter Vergütungen durch die Kapitalgesellschaft an die einem Gesellschafter nahe stehende Person als freigebige Zuwendung im Verhältnis der Gesellschaft zu der nahe stehenden Person zu beurteilen ist. Ferner soll ein schenkungsteuerbarer Vorgang darin liegen, dass eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter über die gesellschaftsrechtliche Beteiligungsquote hinaus überhöhte Vergütungen zahlt.
a) Diesen Aussagen hat der BFH im Grundsätzlichen eine Absage erteilt: Im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern bzw. mittelbaren Gesellschaftern kann es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, nicht aber freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geben. Deshalb kann die Gewährung eines unangemessenen Vermögensvorteils an einen Gesellschafter oder mittelbaren Gesellschafter ausschließlich ertragsteuerrechtlich als vGA behandelt werden.
b) Vor diesem Hintergrund hat der BFH ausdrücklich die Vorstellung der Finanzverwaltung verworfen, es könne die überhöhte Vergütung an nur einen von mehreren Gesellschaftern eine freigebige Zuwendung sein. Nicht anders wird man auch vGA an die einem Gesellschafter nahe stehende Peson beurteilen müssen.
c) Ob der Gesetzgeber für die vorgenannten Sachverhalte die Schenkungsteuerpflicht von vGA durch Ergänzung des § 7 ErbStG begründen und damit die ertragsteuerliche (wirtschaftliche) Betrachtungsweise auf das ErbStG übertragen wird, bleibt abzuwarten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.1.2013 – II R 6/12