Leitsatz
1. Endgültig einnahmelos ist eine Kapitalbeteiligung erst, wenn feststeht, dass Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen aus der nämlichen Beteiligung niemals als Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen i.S. des § 3 Nr. 40 EStG einer bestandskräftigen Veranlagung des Steuerpflichtigen oder einer bestandskräftigen gesonderten und ggf. einheitlichen Feststellung seiner Einkünfte zugrunde gelegen haben.
2. Die endgültige Einnahmelosigkeit ist ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Normenkette
§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Die klagende KG war Gründungsgesellschafterin zweier GmbH, die ständig Verluste erzielten und deren Gesellschafter schließlich im Juni 2010 den Beschluss fassten, die Gesellschaften zum 30.9.2010 aufzulösen. Die KG sollte aus den Liquidationen jeweils 60.000 EUR erhalten. Bereits zuvor hatte die KG in ihrer Bilanz auf den 31.12.2009 Teilwertabschreibungen auf die bisher mit den Anschaffungskosten von insgesamt über 5 Mio. EUR bewerteten GmbH-Beteiligungen vorgenommen und eine Forderung gegen eine der GmbH i.H.v. 200.000 EUR aktiviert.
Nach einer Außenprüfung war das FA der Meinung, die auf die Kommanditisten der KG entfallenden Abschreibungsbeträge unterlägen dem Teilabzugsverbot des § 3c EStG, weil die Beteiligungen im Hinblick auf die Liquidationsraten nicht endgültig einnahmelos geblieben seien.
Die gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 2009 gerichtete Klage hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 5.9.2016, 2 K 176/14, Haufe-Index 10084712, EFG 2017, 23). Das FG betrachtete die Liquidationsraten als Kapitalrückzahlungen und nicht als Beteiligungserträge.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Dieses müsse prüfen, ob bereits bis zur Vollbeendigung der beiden GmbH aufgrund bestandskräftiger Gewinnfeststellungsbescheide für die KG feststehe, dass niemals Einnahmen aus diesen Beteiligungen i.S.d. § 3 Nr. 40 EStG erfasst worden seien. Anderenfalls müsse die Klage abgewiesen werden.
Hinweis
1. Die Entscheidung knüpft an das BFH-Urteil vom 25.7.2019 an (BFH, Urteil vom 25.7.2019, IV R 47/16, BFH/NV 2019, 1367, BFH/PR 2020, 1). Dort war entschieden worden, dass die Feststellung steuerbefreiter Einkünfte nach § 3 Nr. 40, § 3c EStG bzw. § 8b KStG auch "Brutto", also mit dem vollen Betrag und dem Hinweis auf die Steuerbefreiung, vorgenommen werden darf. Dann ist diese Feststellung eine eigenständig anfechtbare "andere Besteuerungsgrundlage" i.S.d. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO. Diese Besteuerungsgrundlage war allein Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.
2. Das hiesige Urteil betrifft im Übrigen eine im Jahr 2010 ausgelaufene Rechtslage. Bis dahin waren trotz prinzipieller Geltung des Teileinkünfteverfahrens Verluste aus einer Beteiligung voll abziehbar, wenn die Beteiligung "endgültig einnahmelos" geblieben war.
a) Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn feststeht, dass Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen aus der nämlichen Beteiligung niemals als Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen i.S.d. § 3 Nr. 40 EStG einer bestandskräftigen Veranlagung des Steuerpflichtigen oder einer bestandskräftigen gesonderten Feststellung seiner Einkünfte zugrunde gelegen haben. Auch das hat der BFH bereits mit dem genannten Urteil vom 25.7.2019 entschieden und wiederholt es mit der hiesigen Entscheidung.
b) Ergänzend dazu ergibt sich aus dem jetzigen Urteil, wie praktisch zu verfahren ist, wenn im Jahr des Entstehens von Ausgaben oder Betriebsvermögensminderungen die endgültige Einnahmelosigkeit noch nicht feststeht. Dann muss der Verlust nämlich zunächst unter Anwendung des Teilabzugsverbots berücksichtigt werden. Ergibt sich nach Vollbeendigung der Kapitalgesellschaft bzw. bei Ende der Anteilseignerschaft, dass tatsächlich keine Einnahmen bezogen worden sind, liegt darin ein rückwirkendes Ereignis, aufgrund dessen die Veranlagung oder gesonderte Feststellung des Verlustjahres nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und der Verlust ungekürzt zu berücksichtigen ist.
c) Im Fall des hiesigen Urteils würde die endgültige Einnahmelosigkeit erst feststehen, wenn die Gewinnfeststellung für das Jahr der Vollbeendigung der beiden GmbH bestandskräftig ist und bis dahin keine Einnahmen i.S.d. § 3 Nr. 40 EStG erzielt worden sind. Bei allen vorher ergehenden Veranlagungen und auch im Rahmen dazu geführter Rechtsbehelfsverfahren ist das Teilabzugsverbot zu beachten. Die Verfahren sind deshalb auch nicht auszusetzen, bis die letzte Veranlagung bzw. Feststellung bestandskräftig ist, sondern sie können unter Berücksichtigung des Teilabzugsverbots abgeschlossen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.7.2019 – IV R 51/16