Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Arbeitnehmer mit einer Einsatzwechseltätigkeit können für die Fahrten zwischen ihrer Wohnung und den jeweiligen Einsatzstellen sowie für die Fahrten zwischen den Einsatzstellen die Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in Anspruch nehmen. Dieses gilt auch dann, wenn den Arbeitnehmern für die Wege zwischen den Einsatzstellen infolge einer betrieblichen Sammelbeförderung keine Aufwendungen entstanden sind. Auf die Größe der Entfernung zwischen der Wohnung und den Einsatzstellen kommt es nicht an.
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Bauhandwerker, der auf wechselnden Baustellen arbeitet. Er fuhr im Jahr 2001 mit seinem Pkw an 201 Tagen zum Betriebssitz des Arbeitgebers (Entfernung 45 km). Von dort wurde er mit einem betrieblichen Autobus zu den jeweiligen Baustellen befördert. In seiner Einkommensteuererklärung setzte er die Entfernungspauschale zum einen für die Wege zwischen seiner Wohnung und dem Betriebssitz des Arbeitgebers und zum anderen für die Wege zwischen den Einsatzstellen als Werbungskosten an. Das Finanzamt berücksichtigte die Entfernungspauschale jedoch nur für die Wege zwischen Wohnung und Betriebssitz, weil der Arbeitnehmer für die Wege zwischen den Einsatzstellen keine Aufwendungen tragen musste. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos, so dass Klage erhoben wurde.
Entscheidung
Das FG gibt der Klage statt und erkennt die Entfernungspauschale auch für die Wege zwischen den Einsatzstellen an, da es für den Ansatz der Pauschale nicht auf die Entstehung von Aufwendungen ankomme. Vielmehr stelle sie eine verkehrsmittel- und aufwandsunabhängige Pauschale dar, die nicht um den Wert der Sammelbeförderung zu kürzen sei, weil es sich hierbei um eine nach § 3 Nr. 32 EStG steuerfreie Arbeitgeberleistung handele. Überdies sei die in H 38 LStH enthaltene 30 km-Grenze, die von der Finanzverwaltung zur Abgrenzung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und von Reisekosten andererseits herangezogen wird, nicht anwendbar. Abweichend von der bisherigen Verwaltungspraxis setzt das FG bei einer Einsatzwechseltätigkeit für alle Fahrten die Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an.
Hinweis
Das Finanzamt hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt (BFH, VI R 64/03). Die höchstrichterliche Entscheidung steht somit noch aus. Zur Auffassung des FG ist kritisch anzumerken, dass Arbeitnehmer mit wechselnden Einsatzstellen keine regelmäßige Arbeitsstätte haben. Deshalb können sie für die Fahrten zwischen den Einsatzstellen nicht die Entfernungspauschale, sondern die tatsächlichen Kosten geltend machen. Soweit keine Kosten entstanden sind, muss der Werbungskostenabzug unterbleiben.
Redaktioneller Hinweis: Aufgrund der Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 (BGBL 2003 I S. 3076) kann die Entfernungspauschale für Strecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nr. 32 EStG nicht mehr als Werbungskosten angesetzt werden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.09.2003, 2 K 496/02