Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Der vom Erwerber einer "gebrauchten" Kapitallebensversicherung gezahlte Kaufpreis stellt Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB dar.
2. Die bis zum Erwerbszeitpunkt aufgelaufenen außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen sind weder negative Einnahmen aus Kapitalvermögen noch vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des AltEinkG, § 255 HGB
Sachverhalt
Eine GbR erwarb zum 01.03.2005 für einen Kaufpreis von 30 000 EUR die Rechte und Pflichten aus einer Kapitallebensversicherung von dem bisherigen Versicherungsnehmer. Bei der Versicherung handelt es sich um eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall über eine Dauer von 32 Jahren. Beginn der Versicherung war der 01.12.1985, das Ablaufdatum der Versicherung war der 30.11.2017. Zum Stichtag 01.03.2005 ermittelte die Versicherungsgesellschaft die rechnungsmäßigen Zinsen mit 4 311,58 EUR und die außerrechnungsmäßigen Zinsen mit 9 139,45 EUR, insgesamt 13 451,03 EUR.
Die GbR als Erwerberin machte diese bislang aufgelaufenen Zinsanteile in ihrer Steuererklärung vergeblich als Werbungskosten bzw. negative Einnahmen aus Kapitalvermögen entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG geltend. Das FG wies die Klage ab (Hessisches FG, Urteil vom 14.09.2009, 4 K 1900/07, Haufe-Index 2300202).
Entscheidung
Die Revision der GbR, mit der sie eine konfiskatorische Besteuerung rügte, blieb vor dem BFH ebenfalls erfolglos. Bei dem gezahlten Kaufpreis handele es sich insgesamt um Anschaffungskosten. Eine entsprechende Anwendung der gesetzlichen Regelung über Stückzinsen sei im Streitjahr aufgrund der zeitlichen Anwendungsregelungen nicht möglich. Dies sei für die Beteiligten auch ersichtlich gewesen.
Hinweis
1. Bei der Veräußerung einer Lebensversicherung werden sämtliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag durch Abtretung auf den Erwerber übertragen. Der zu entrichtende Kaufpreis wird regelmäßig so kalkuliert sein, dass darin wirtschaftlich auch ein Anteil für die bis zu Übertragung aufgelaufenen Zinsen enthalten ist.
2. So verständlich das Bestreben der Steuerpflichtigen ist, die theoretisch mögliche Unterscheidung zwischen dem Versicherungsstammrecht und den aufgelaufenen Zinsen steuerrechtlich nutzbar zu machen, so ist dem doch entgegenzuhalten, dass bei einem einheitlich vereinbarten Kaufpreis eine entsprechende Aufteilung steuerrechtlich nicht möglich ist.
3.Nach der auch im Steuerrecht maßgeblichen Vorschrift des § 255 HGB zählt alles, was als Gegenleistung für den Erwerb geleistet wird, zu den Anschaffungskosten. Ob ein Aufwand den Anschaffungskosten zuzurechnen ist oder den sofort abziehbaren Werbungskosten, bestimmt sich nicht nach der Bezeichnung des Entgelts durch die Vertragsparteien, sondern nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der infrage stehenden Leistung. Bei einem einheitlichen Kaufpreis, der als Gegenleistung für die Übertragung sämtlicher Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich der Versicherungspolice geleistet wird, handelt es sich danach um Anschaffungskosten. Dass sich der Kaufpreis rein rechnerisch aufteilen lässt in bis dahin aufgelaufene rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen sowie einen auf das Versicherungsstammrecht entfallenden Betrag, ändert an der Beurteilung als Anschaffungskosten nichts, denn die Zahlung des Kaufpreises soll es dem Erwerber ermöglichen, ab einem im Vertrag festgelegten Stichtag die Ansprüche des Veräußerers einschließlich der bis dahin aufgelaufenen (rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen) Zinsen zu erlangen.
4. Die im Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrags bereits entstandenen und von der Versicherungsgesellschaft bescheinigten rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen können nicht – wie Stückzinsen – als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen Berücksichtigung finden.
a) |
Zwar stellen Stückzinsen, die ein Erwerber festverzinslicher Wertpapiere zu entrichten hat, gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des AltEinkG im Jahr der Zahlung vorab entstandene negative Einnahmen dar. |
b) |
Die Berücksichtigung der Stückzinsen beim Erwerber als vorab entstandene negative Einnahmen beruht indessen darauf, dass der Veräußerer die Stückzinsen gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des AltEinkG als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern hat. Dies ist beim Erwerb einer Kapitallebensversicherung gerade nicht der Fall. Die im Übertragungszeitpunkt bereits entstandenen und im Kaufpreis mit vergüteten rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen sind auf Seiten des Erwerbers nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Nämliches gilt für den Veräußerer, der lediglich ein nicht steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vornimmt. Allein der Erwerber muss die Zinsen im Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme versteuern. |
5. Auch eine analoge Anwendung der ab dem 01.01.2009 neu gefassten Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 3 EStG n.F. kommt in Fällen der vorliegenden Art nicht in Betracht....