Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Das einem Zivildienstleistenden gezahlte Entlassungsgeld entfällt auf die Zeit nach Beendigung des Zivildienstes. Es gehört zu den Bezügen i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und ist in voller Höhe im Jahr des Zuflusses zu erfassen.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 EStG , § 35 Abs. 1 ZDG
Sachverhalt
Der Sohn des Klägers hatte am 31.7.1998 seinen Zivildienst beendet. Das Entlassungsgeld in Höhe von 1500 DM wurde ihm noch im Juli ausbezahlt. Am 1.8.1998 trat er eine Lehre an; die Einkünfte aus diesem Ausbildungsverhältnis betrugen 4122 DM.
Familienkasse und FG (EFG 2000, 1258) vertraten die Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld habe; das Entlassungsgeld sei den Einkünften aus dem Ausbildungsverhältnis hinzuzurechnen und damit der Jahresgrenzbetrag überschritten.
Entscheidung
Der BFH bestätigte diese Auffassung. Das Entlassungsgeld sei als Überbrückungsgeld für die Zeit nach Ableistung des Zivildienstes gedacht. Damit sei es unabhängig davon, in welchem Monat es zugeflossen sei, den Ausbildungsmonaten nach Beendigung des Zivildienstes zuzurechnen und in vollem Umfang bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags zu berücksichtigen.
Hinweis
Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für die jeweiligen Kalenderjahre geltenden Fassung wird ein über 18 Jahre altes Kind in Berufsausbildung nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als dem gesetzlich bestimmten Jahresgrenzbetrag hat. Das Entlassungsgeld eines Zivildienstleistenden und – wie hinzuzufügen ist – eines den Grundwehrdienst leistenden Soldaten ist eine steuerfreie Einnahme (§ 3 Nr. 5 EStG) und deshalb nicht bei dessen Einkünften, sondern bei dessen Bezügen zu erfassen. Noch nicht für alle Fälle geklärt ist jedoch die Frage, wie die Bezüge zeitlich zuzurechnen sind.
Der BFH hat erst vor kurzem entschieden, dass Zahlungen, die ein Kind erhält, nach dem Zuflussprinzip zu beurteilen sind (BFH, Urteil vom 16.4.2002, VIII R 76/01 BFH-PR, 299). Dieses Prinzip ist jedoch grundsätzlich nur bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, in welchem Jahr die Zahlung zu erfassen und bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags zu berücksichtigen ist. Für Zahlungenwährend des Jahres gilt grundsätzlich dasPrinzip der wirtschaftlichen Zurechnung. Von ihm ist auch bei der zeitlichen Zurechnung des Entlassungsgelds auszugehen.
Der BFH hatte bereits zu § 33a Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 4) EStG unter Hinweis auf die Begründung zum Wehrsoldgesetz entschieden, dass das Entlassungsgeld eines Wehrdienstpflichtigen in typisierter Form an die Stelle von Einnahmen trete, die der Wehrdienstleistende nach Beendigung seiner Dienstzeit voraussichtlich gehabt hätte, wenn er sich während der Dienstzeit eine Einnahmequelle aufgebaut hätte; die Eltern müssten sich deshalb das Entlassungsgeld auf ihre Unterhaltsleistungen, die sie dem Kind nach Beendigung des Wehrdienstes gewähren, mindernd anrechnen lassen. Für das Entlassungsgeld eines Zivildienstleistenden, das sich ebenfalls nach dem Wehrsoldgesetz bestimmt, kann nichts anderes gelten. Der BFH überträgt diese Rechtsprechung nun auch auf das Kindergeld. Es ist deshalb ohne Bedeutung, in welchem Monat des Jahres dem Kind das Entlassungsgeld zufließt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.5.2002, VIII R 57/00