Leitsatz
Entschädigungszahlungen, die ein Feuerwehrbeamter für rechtswidrig geleistete Mehrarbeit erhält, sind steuerbare Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 34 EStG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 LStDV
Sachverhalt
Der Kläger leistete als Feuerwehrbeamter über die unionsrechtlich höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus Bereitschaftsdienste und erhielt zum Ausgleich dafür im Streitjahr Geld. Das FA und das FG unterwarfen die Zahlungen der Besteuerung, gewährten aber die Tarifermäßigung gemäß § 34 EStG.
Entscheidung
Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.
Hinweis
1. Verbeamtete Feuerwehrleute leisteten in der Vergangenheit häufig über die unionsrechtlich höchstens zulässige Grenze von 48 Stunden pro Woche hinaus Mehrarbeit im Bereitschaftsdienst. Dafür stehen ihnen ein unionsrechtlicher (EuGH, Urteil vom 25.11.2010, C-429/09, Haufe-Index 2613071, ECLI:EU:C:2010:717) und ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch zu. Beide Ansprüche sind nach der Rechtsprechung des BVerwG vorrangig auf Freizeitausgleich und nur ausnahmsweise auf Ausgleich in Geld gerichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.7.2012, 2 C-70.11, Haufe-Index 3340103, NVwZ 2012, 1472). Tatsächlich dominiert allerdings der Ausgleich in Geld.
2. Der Rechtsstreit ging um die Steuerbarkeit dieser Ausgleichszahlungen.
a) Die Kläger betonten die Rechtswidrigkeit der Mehrarbeit und sahen in der dafür erhaltenen Entschädigung eine nicht steuerbare Schadenersatzleistung. Sie beriefen sich auch darauf, dass die Geldentschädigung nur ausnahmsweise an die Stelle des Freizeitausgleichs trete, der nicht steuerbar gewesen wäre. Das müsse dann auch für die Entschädigung in Geld gelten.
b) Für die Gegenauffassung (FA, FG) steht im Vordergrund, dass die Ausgleichszahlung für geleistete (Mehr-)Arbeit erbracht worden ist und ohne diese Mehrarbeit nicht geflossen wäre. Sie sei deshalb bei wertender Betrachtung durch das Arbeits- oder Dienstverhältnis und nicht durch eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers veranlasst.
3. Ob eine Einnahme Arbeitslohn darstellt, ergibt sich allein weder aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG noch aus der abweichenden Definition in § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 LStDV. Die Rechtsprechung stellt deshalb darauf ab, ob die Einnahme durch das Arbeits- oder Dienstverhältnis veranlasst ist.
a) Die Beurteilung dieser Frage obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. An die Tatsachenwürdigung durch das FG ist der BFH im Revisionsverfahren grundsätzlich gebunden. So auch im Streitfall.
b) Ergänzend: Der Annahme von Arbeitslohn steht nicht entgegen, dass die Zahlung ihren Rechtsgrund in einem unionsrechtlichen Haftungsanspruch hat, denn dessen Rechtsfolgen richten sich, so der EuGH (EU:C:2010:717), nach nationalem Recht. Der nationale Gesetzgeber hat nach diesem Verständnis nicht nur das Recht zu wählen, ob er den Ausgleich in Freizeit oder in Geld leistet, sondern er hat auch das Recht, den Ausgleich in Geld der Besteuerung zu unterwerfen, obwohl der Ausgleich in Zeit nicht steuerbar wäre.
c) Das gilt nach Auffassung des BFH insbesondere, wenn man den konkurrierenden beamtenrechtlichen Anspruch in Betracht zieht, denn dieser gehöre, so der BFH, als Ausfluss aus dem beamtenrechtlichen Dienstverhältnis zu den Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit.
d) Unerheblich sei der zeitliche Abstand zwischen Leistung und Gegenleistung. Es komme allein auf die Veranlassung an.
e) Einer Randbemerkung am Ende der Entscheidung ist zu entnehmen, dass der BFH die Voraussetzungen für die vom FA und vom FG (FG Münster, Urteil vom 1.12.2015, 1 K 1387/15 E, Haufe-Index 9065322, EFG 2016, 291) gewährte Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG für nicht gegeben hielt. Den Grund dafür erfährt man nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.6.2016 – IX R 2/16