Leitsatz
1. Eine Abgabe von Energieerzeugnissen i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG liegt auch in den Fällen vor, in denen der Abgebende einer anderen Person aufgrund eines vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses den mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen verschafft.
2. Die in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG getroffene Regelung kann nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden, die ungeachtet eines Zwischenerwerbs durch einen Nichtberechtigten den in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG normierten Steuerentstehungstatbestand verdrängt.
Normenkette
§ 30 Abs. 1, § 24 Abs. 2 und 5, § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, § 55, § 57 Abs. 4 EnergieStV, § 929 Satz 2 BGB, Art. 7, Art. 37 RL 2008/18/EG
Sachverhalt
A hatte bei B Gasöl gekauft, das im Auftrag von B im Steuerlager der Firma X lagerte. Alsbald hat A das Gasöl an die Firma Y zur Bunkerung eines Seeschiffs weiterverkauft. Mit E-Mail veranlasste B bei X die Freistellung des Gasöls für A zur Bunkerung des Seeschiffs. B besitzt eine Erlaubnis als Verteiler gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 EnergieStG, A hingegen besaß diese bei der Lieferung noch nicht; sie wurde ihm erst später erteilt. Mit der Begründung, er sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Energieerzeugnisse weder Inhaber einer Erlaubnis zur steuerfreien Verteilung von Energieerzeugnissen noch selbst Verwender dieser Energieerzeugnisse zu steuerfreien Zwecken als Schiffsbetriebsstoff gewesen, hat das HZA A nach§ 30 Abs. 1 EnergieStG i.V.m. § 57 Abs. 9 und Abs. 4 EnergieStV auf Energiesteuer in Anspruch genommen. Aufgrund der Abgabe des Gasöls an A – und somit an einen Nichtberechtigten – wurde auch B gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen.
Entscheidung
Zu Recht! Der BFH hat deshalb das Urteil des FG (FG Hamburg, Urteil vom 19.5.2011, 4 K 205/10, Haufe-Index 2731556) aufgehoben und die Klage gegen die Abgabebescheide abgewiesen:
Durch die E-Mail sei gegenüber A und dem Inhaber des Steuerlagers eine Freistellungserklärung abgegeben worden, welche den Schluss zulasse, dass vor deren Abgabe zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen A und B ein Besitzmittlungsverhältnis begründet worden ist, durch das A den mittelbaren Besitz und einen Herausgabeanspruch erlangt habe. Mit der Freistellungserklärung habe B das Besitzkonstitut konkretisiert und dadurch das Gasöl an A abgegeben. Mit dem Abschluss eines Kaufvertrags sei regelmäßig von der Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses in Bezug auf die erworbenen Energieerzeugnisse auszugehen, sofern die vertraglichen Absprachen nicht auf eine davon abweichende Regelung hindeuten.
Hinweis
Nach § 30 Abs. 1 EnergieStG entsteht die Steuer, wenn unversteuertes Mineralöl an jemanden "abgegeben" wird, der zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse nicht berechtigt ist. Was ist eine "Abgabe" i.S. dieser Vorschrift?
Der Begriff ist im EnergieStG nicht definiert. Verschaffung unmittelbaren Besitzes dürfte in der Regel als Abgabe anzusehen sein, obwohl dies z.B. bei einer Spedition zweifelhaft ist, die nach den Weisungen des Berechtigten Mineralöl lediglich befördert. Nach Ansicht des BFH ist jedoch von einer Abgabe sogar schon dann auszugehen, wenn dem Erwerber der mittelbare Besitz verschafft wird, also ein auf einem Besitzmittlungswillen beruhendes Besitzmittlungsverhältnis begründet wird, nach dem der unmittelbare Besitzer seinen Besitz in Anerkennung eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers ausübt. Auf die nähere Ausgestaltung dieses Verhältnisses soll es dabei ersichtlich nicht ankommen. Insbesondere soll eine Abgabe auch dann anzunehmen sein, wenn vereinbart ist, dass nur an einen Berechtigten der unmittelbare Besitz weiter übertragen werden darf, der Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers also nicht umfassend, sondern durch entsprechende Abrede eingeschränkt ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.5.2013 – VII R 39/11