3.1 Berechnung der Steuer auf den Gesamterwerb
Zunächst ist der Wert des Gesamterwerbs zu ermitteln. Dieser setzt sich aus dem aktuellen Vermögensanfall und den früheren Erwerben zusammen.
Die früheren Erwerbe werden dem Letzterwerb mit ihrem früheren Wert hinzugerechnet (R E 14.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2019). Dies gilt auch nach Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform. Denn durch diese sind die Werte angehoben worden. Angestrebt wird dabei ein Annäherungswert zum gemeinen Wert.
Hierbei behalten die einzelnen Erwerbe ihre Selbständigkeit (R E 14.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019). Die früheren Erwerbe werden mit ihren Bruttobeträgen, also vor Abzug von persönlichen Freibeträgen gem. § 16 ErbStG angesetzt.
Von dem Gesamterwerb wird dann der maßgebende persönliche Freibetrag abgezogen und von dem so ermittelten steuerpflichtigen Erwerb die entsprechende Steuer berechnet.
Zur Feststellung der Steuerklasse und damit zusammenhängend des persönlichen Freibetrags (§ 16 ErbStG) sowie des Steuersatzes (§ 19 ErbStG) sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Letzterwerbs zugrunde zu legen (R E 14.1 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019).
Überschreitet der Erwerb von begünstigtem Vermögen die Grenze von 26.000.000 EUR, so ist nach § 28a ErbStG die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer auf Antrag des Erwerbers zu erlassen. Voraussetzung ist hierbei, dass er insoweit nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Wie die Einbeziehung von Vorerwerben mit Anwendung des § 28a ErbStG vorzunehmen ist, kann aus dem Beispiel in H E 14.1 (3) ErbStH 2019 entnommen werden.
Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG
Die Entscheidung über die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG erfolgt bei der Steuerfestsetzung des jeweils letzten Erwerbs und dann seitens des Finanzamts von Amts wegen.
3.2 Fiktive Abzugssteuer
Von der Steuer auf den Gesamterwerb (siehe Tz. 3.1) ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Steuer abzuziehen, welche für die Vorerwerbe nach den persönlichen Vorschriften und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zum Zeitpunkt des Letzterwerbs zu erheben gewesen wäre (sog. fiktive Steuer).
Hat der Erwerber beim Vorerwerb nach § 13b Abs. 2 ErbStG begünstigtes Vermögen erhalten und hierfür den Steuererlass nach § 28a ErbStG beantragt, dann gilt dies ebenso (R E 14.3 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2019).
Anwendung des § 28a ErbStG
Ein Antrag nach § 28a ErbStG (sog. Verschonungsbedarfsprüfung) kann der Erwerber immer dann stellen, wenn das begünstigte Vermögen die Prüfschwelle von 26.000.000 EUR überschritten hat und er keinen Antrag auf Anwendung des Abschmelzmodells des § 13c ErbStG gestellt hat.
Dabei ist die Steuer so zu berechnen, dass sich der dem Steuerpflichtigen zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von 10 Jahren vor diesem Erwerb verbraucht worden ist (R E 14.1 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2019).
3.3 Tatsächlich zu entrichtende Steuer
Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist die auf den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer abzuziehen, sofern diese höher ist als die fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG (R E 14.1 Abs. 3 Satz 6 ErbStR 2019).
Durch diese Vorschrift kann das durch die frühere Steuerentrichtung geschaffene Anrechnungsvolumen nicht durch spätere Änderungen der persönlichen Verhältnisse des Erwerbers oder durch Änderung der gesetzlichen Vorschriften zur Steuerberechnung wieder verloren gehen.
Tatsächliche Steuer ist höher als fiktive Steuer
S hatte am 1.12.2018 seiner Lebensgefährtin LG einen Geldbetrag i. H. v. 35.000 EUR zugewendet. Am 1.10. 2023 heiratet S seine Lebensgefährtin. Zwei Monate nach der Hochzeit schenkt er ihr nochmals einen Geldbetrag i. H. v. 550.000 EUR.
Lösung
Erste Zuwendung am 1.12.2018
Bargeld |
35.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag |
./. 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb |
15.000 EUR |
Schenkungsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
4.500 EUR |
Die tatsächlich zu entrichtende Steuer (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) beträgt demnach 4.500 EUR.
Zweite Zuwendung in 2023
Die Steuer auf den Gesamterwerb beläuft sich somit auf 9.350 EUR.
Berechnung der fiktiven Schenkungsteuer in 2023 auf den Vorerwerb aus 2018 (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG und R E 14.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2019)
Bargeld |
35.000 EUR |
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abzüglich persönlicher Freibetrag |
./. 20.000 EUR |
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steuerpflichtiger Erwerb |
15.000 EUR |
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Schenkungsteuer (Steuersatz 7 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
1.050 EUR |
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Die sich für den Vorerwerb ergebende fiktive Steuer beträgt somit 1.050 EUR.
Da die tatsächlich zu entrichtende Steuer höher ist als die fiktive Steuer, ist die tatsächlich zu entrichtende Steuer abzuziehen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) |
./. 4.500 EUR |
Festzusetzen... |