Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Ist der Grundbesitzwert des Grundvermögens für erbschaft- oder schenkungsteuerrechtliche Zwecke zu ermitteln, wird dieser Wert gem. § 179 AO gesondert festgestellt. In dem Feststellungsbescheid sind nach § 151 Abs. 2 BewG auch folgende Feststellungen zu treffen:
- Art der wirtschaftlichen Einheit (hier also darüber, ob es sich z. B. um ein bebautes oder ein unbebautes Grundstück handelt, ob ein Mietwohngrundstück oder ein Geschäftsgrundstück vorliegt).
- Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit (hier also, wem das Grundstück nach der Übertragung gehört). Bei mehreren Beteiligten muss auch eine Feststellung über die Höhe des Anteils, der für die Besteuerung oder eine andere Feststellung von Bedeutung ist, getroffen werden. Beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft erfolgt die Zurechnung in Vertretung der Miterben auf die Erbengemeinschaft.
Einheitliche Feststellung bei mehreren Beteiligten
Sind mehrere Personen an einer wirtschaftlichen Einheit beteiligt, erfolgt eine einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 2 AO.
Ein einmal gesondert festgestellter Grundbesitzwert ist für innerhalb einer Jahresfrist folgende weitere Feststellungen für dieselbe wirtschaftliche Einheit unverändert zugrunde zu legen, wenn sich die für die erste Bewertung maßgeblichen Stichtagsverhältnisse nicht wesentlich verändert haben. Mit dieser Regelung wird vermieden, umfangreiche neue Ermittlungen der gesondert festzustellenden Werte vorzunehmen, wenn innerhalb einer kurzen Frist die wirtschaftliche Einheit erneut für steuerliche Zwecke heranzuziehen ist.
Mehrfache Berücksichtigung eines einmal festgestellten Grundbesitzwerts
Am 15.3.2022 ist Ehemann M verstorben und hat als Alleinerbin seine Ehefrau F eingesetzt. Zum Vermögen gehört auch ein Mietwohnhaus, dessen Grundbesitzwert im Rahmen des Ertragswertverfahrens nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG zum 15.9.2016 mit 2 Mio. EUR gesondert festgestellt wird. Am 27.12.2022 verstirbt auch die F und hinterlässt ihr Vermögen ihrer Tochter T.
Da seit der erstmaligen Bewertung des Gebäudes nicht mehr als ein Jahr vergangen ist, kann der zum 15.3.2022 gesondert festgestellte Grundbesitzwert auch für den Erwerb vom 27.12.2022 durch die T zugrunde gelegt werden. Voraussetzung ist, dass sich der Wert der wirtschaftlichen Einheit nicht wesentlich geändert hat.
Nicht näher gesetzlich bestimmt ist, wann eine solche wesentliche Veränderung für die wirtschaftliche Einheit gegeben ist. Bei dem Grundvermögen wird dies wohl nur dann anzunehmen sein, wenn bauliche Veränderungen an dem Gebäude vorgenommen worden sind oder andere wesentliche nicht regulär auftretende Ereignisse eingetreten sind. Im Regelfall wird bei Grundvermögen innerhalb eines Jahres ohne solche außergewöhnlichen Ereignisse keine wesentliche Wertveränderung eintreten. Eine Besonderheit ergibt sich 2023 aufgrund der zum 1.1.2023 erheblich modifizierten Bewertungsvorschriften; ein in 2022 nach den bisherigen Vorschriften festgestellter Grundbesitzwert wird wohl nicht für Bewertungsstichtage in 2023 herangezogen werden können.
Neubewertung bei Abgabe einer Feststellungserklärung
Der Erklärungspflichtige kann aber eine von dem alten Wert abweichende Feststellung des Grundbesitzwerts nach den Verhältnissen am neuen Bewertungsstichtag durch Abgabe einer Feststellungserklärung beantragen.
Soweit es für die weitere erbschaftsteuerliche Behandlung notwendig ist, hat das Lagefinanzamt in den Feststellungsbescheiden aber auch weitere Informationen aufzunehmen, um dem für die Folgebescheide zuständigen Finanzamt die zutreffende Ermittlung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu ermöglichen. Solche nachrichtlichen Informationen können bei der Feststellung von Grundbesitzwerten sein:
- die gesamte Wohn- und Nutzfläche eines Gebäudes,
- Wohnfläche einer bisher selbst genutzten Wohnung,
- Wohnfläche der zu Wohnzwecken vermieteten Gebäude oder Gebäudeteile,
- die zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen gehörende Fläche sowie die eigenbetrieblich genutzte Fläche,
- eventuell schon im Rahmen eines nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts berücksichtigte Belastungen.
Keine Feststellung von Grundbesitzwerten bei Steuerbefreiung
Auf die gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten kann verzichtet werden, wenn bei einem Grundstückserwerb von Todes wegen die Steuerfreiheit nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b oder Nr. 4c ErbStG einschlägig ist oder wenn bei einer Grundstücksschenkung absehbar ist, dass der Steuerwert der freigebigen Zuwendung unter dem persönlichen Freibetrag liegt.