Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
5.1 Definition
Unbebaute Grundstücke nach § 178 Abs. 1 BewG sind Grundstücke, auf denen sich keine benutzbaren Gebäude befinden. Die Benutzbarkeit des Gebäudes beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Die Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn es den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen. Dabei ist die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde nicht entscheidend. Es müssen aber zum Bewertungsstichtag alle wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sein.
Für die Beurteilung der Bezugsfertigkeit ist auf das ganze Gebäude abzustellen und nicht auf einzelne Wohnungen oder Räume. Werden Gebäude abschnittsweise errichtet, ist für die Frage der Bezugsfertigkeit auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Eine Errichtung in Bauabschnitten ist gegeben, wenn ein Gebäude nicht in einem Zuge in planmäßig vorgesehenem Umfang bzw. im Rahmen der behördlichen Genehmigung bezugsfertig erstellt wird.
Bezugsfertigkeit eines Einfamilienhauses
In einem Einfamilienhaus sind die Wohnräume im Erdgeschoss fertiggestellt, der mögliche Ausbau des Dachgeschosses ist aber zum Bewertungsstichtag noch nicht begonnen. Das Einfamilienhaus ist als bezugsfertig anzusehen.
Nach § 178 Abs. 2 BewG gilt ein Grundstück auch dann als unbebaut, wenn sich auf dem Grundstück Gebäude befinden, die auf Dauer keiner Nutzung zugeführt werden können. Dies gilt ebenso für ein Grundstück, auf dem infolge von Zerstörung oder Verfall der Gebäude auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden ist. In aller Regel reicht eine baupolizeiliche Sperrung des Gebäudes aus, zu prüfen ist jedoch, ob dieser Zustand von Dauer ist. Behebbare Mängel führen aber im Regelfall nicht zu einem unbebauten Grundstück.
Art des Gebäudes ist unbeachtlich
Nicht von Bedeutung für die Beurteilung, ob auf dem Grundstück ein benutzbares Gebäude vorhanden ist, ist, um welche Art von Gebäude es sich handelt. Auch Gebäude, die von ihrer Art her eher unbedeutend sind, führen zur Eigenschaft "bebautes Grundstück".
Die Finanzverwaltung hat in R B 178 ff. ErbStR die Grundsätze für die begriffliche Abgrenzung eines bebauten und eines unbebauten Grundstücks vorgegeben. Insbesondere werden Regelungen über die Abgrenzung von Bauerwartungsland, Brutto- und Nettorohbauland getroffen.
5.2 Bewertung
Die Bewertung unbebauter Grundstücke ist in § 179 BewG geregelt. Hierbei ist grundsätzlich eine Ableitung des Grundbesitzwerts von den Bodenrichtwerten vorgesehen. Für die Ermittlung der Bodenrichtwerte wird auf § 196 BauGB verwiesen. Danach haben die Gutachterausschüsse die Bodenrichtwerte nach dem Baugesetzbuch zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen.
Nach §§ 196 ff. BauGB sind die Bodenrichtwerte zum Ende jedes zweiten Kalenderjahrs zu ermitteln, wenn nicht eine häufigere Ermittlung (regional) bestimmt ist. Darüber hinaus ist durch § 198 BauGB zwingend vorgeschrieben, einen Oberen Gutachterausschuss zu bestellen, wenn in dem Bereich einer höheren Verwaltungsbehörde mehr als 2 Gutachterausschüsse gebildet sind.
Darüber hinaus kann in den Fällen, in denen vom Gutachterausschuss kein Bodenrichtwert ermittelt wird, der Bodenwert aus vergleichbaren Flächen abgeleitet werden.
Kein allgemeiner Bewertungsabschlag
Der ermittelte Wert wird ohne einen Abschlag als Grundbesitzwert herangezogen. Ein allgemeiner Abschlag ist nicht gesetzlich geregelt. Ist der Steuerpflichtige der Meinung, dass der angesetzte Bodenrichtwert zu einem überhöhten Grundbesitzwert führt, kann er aber nach § 198 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen.
Der Bodenrichtwert für die Grundbesitzbewertung entfaltet nicht die Wirkung eines Grundlagenbescheids. Er ist damit im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts anzugreifen.
Besonderheiten des Grundstücks, die im Bodenrichtwert nicht zum Ausdruck kommen, können bei der Bewertung mit berücksichtigt werden. Der unmodifizierte Bodenrichtwert ist nur in den Fällen anwendbar, in denen das zu bewertende Grundstück mit einem Bodenrichtwertgrundstück übereinstimmt. In anderen Fällen ist der Bodenrichtwert durch Zuschläge oder Abschläge anzugleichen. Typische Fälle, in denen eine Angleichung vorzunehmen ist, liegen dann vor, wenn z. B. die Geschossflächenzahl (GFZ) oder die Grundstücksgröße bei dem zu bewertenden Grundstück von dem Bodenrichtwertgrundstück abweicht und der Gutachterausschuss Umrechnungskoeffizienten für die Grundstücksgrößen vorgegeben hat. Liegen keine örtlichen Umrechnungskoeffizienten vor, gelten nach H B 179.2 ErbStH allgemeine Umrechnungskoeffizienten zur Angleichung des Bodenrichtwerts.
Handelt es sich bei dem zu bewertenden Grundstück um Bauerwartungsland oder Rohbauland, für das kein Bodenrichtwert ermittelt worden ist, kann der Wert aus den Bodenrichtwerten vergleichbarer Flächen abgeleitet werden. Soweit keine besonderen Werte dazu von den Gutachterausschüssen vorgegeben worden sind, kann hier mit pauschalen Abschlägen auf den Bodenrichtwert von...