2.1.1 Steuerrechtliche Beurteilung beim Nießbrauchsberechtigten
Wird einer Person der Nießbrauch zu Lebzeiten unentgeltlich eingeräumt (sog. Zuwendungsnießbrauch), dann erfüllt dies als Schenkung unter Lebenden den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Zu einer Besteuerung kommt es dabei nur, wenn eine Bereicherung des Bedachten gegeben ist. Ein unentgeltlicher Erwerb ist gegeben, soweit er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung, die sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzen einer Auflage oder Bedingung begründet sein kann.
Erhält eine Person den Nießbrauch dagegen von Todes wegen, dann unterfällt dies als Erwerb von Todes wegen dem § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (Vermächtnisnießbrauch) oder § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und führt somit zur Erbschaftsbesteuerung. Das Nießbrauchsvermächtnis stellt regelmäßig die steuerlich günstigere Gestaltung gegenüber der Vor- und Nacherbschaft dar.
Steuerrechtliche Behandlung beim Nießbrauchsberechtigten
Erblasser E verstirbt am 15.12.2023 und hinterlässt als Alleinerbin die Tochter T. Für Sohn S hat E ein Nießbrauchsvermächtnis an einem Grundstück angeordnet.
Bei S ist das Nießbrauchsvermächtnis gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Besteuerung zu unterwerfen.
Bei einem Vorbehaltsnießbrauch entsteht die Schenkungsteuer mit der notariellen Übertragung, Auflassung des Grundstücks, Bestellung des Nießbrauchs und der entsprechenden Eintragungsbewilligung. Dagegen entsteht bei einem Zuwendungsnießbrauch die Schenkungsteuer mit der notariellen Beurkundung und der Eintragungsbewilligung.
Nach dem Urteil des FG Münster stellt die Übertragung eines Grundstücks gegen Zurückbehaltung eines Nießbrauchs zugunsten des Schenkers und seiner Ehefrau keine Zuwendung zugunsten der Ehefrau dar, wenn sich aus den tatsächlichen Umständen eine Alleinberechtigung des Ehemannes dadurch ergibt, dass die Mieterlöse auf ein nur diesem zustehendes Konto fließen, dieser mit den Mitteln eigenes Vermögen anspart und keine Zahlungsbewegungen zugunsten der Ehefrau erkennbar sind.
Hierzu hat der BFH entschieden, dass eine freigebige Zuwendung einer Gesamtgläubigerstellung an einem Nießbrauchsrecht dann nicht vorliegt, wenn der Berechtigte über die Erträge im Innenverhältnis rechtlich und tatsächlich nicht frei verfügen kann.
Die weitere Besteuerung bei der nießbrauchsberechtigten Person erfolgt nach den Grundsätzen des § 23 ErbStG (Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen, siehe Tz. 2.2).
2.1.2 Steuerrechtliche Behandlung beim Nießbrauchsverpflichteten
Die nießbrauchsverpflichtete Person, welche den belasteten Vermögensgegenstand erworben hat, muss diesen grundsätzlich entweder nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Schenkung unter Lebenden der Erbschaftsteuer unterwerfen oder als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Gleichzeitig kann die belastete Person die Belastung mit dem Kapitalwert bei der Ermittlung ihrer Bereicherung abziehen. Durch den Wegfall des § 25 ErbStG ab 2009 gibt es hier keine Einschränkung mehr.
Hier ist aber zu differenzieren zwischen dem Erwerb von Todes wegen und dem Erwerb zu Lebzeiten.
Beim Erwerb von Todes wegen ermittelt sich die Bereicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG i. V. m. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
Wird dagegen ein belasteter Vermögensgegenstand zu Lebzeiten übertragen, so liegt eine Schenkung unter Nutzungsauflage vor. Bei dieser gebührt dem Bedachten der Nutzungswert des Schenkungsgegenstands für eine gewisse Zeit zumindest teilweise nicht, da ein fremdes Nutzungsrecht an dem Gegenstand besteht. Hier gilt als Bereicherung der bedachten Person der gesamte Vermögensanfall. Die Belastung durch das Nießbrauchsrecht als vorübergehende Einschränkung der Bereicherung ist durch Abzug der Last zu berücksichtigen.
Bewertung der Nutzungsauflage
Dabei richtet sich die Bewertung der Nutzungsauflage nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes.
Zudem sind auch die Gleichlautenden Ländererlasse v. 9.9.2022 zur Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen zu beachten.