2.2.1 Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2020
Befinden sich im Nachlass Vermögensgegenstände, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen und stehen mit diesen Vermögensgegenständen Schulden und Lasten in wirtschaftlichem Zusammenhang, dann können diese Schulden und Lasten nicht abgezogen werden (§ 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG und R E 10.10 Abs. 2 ErbStR 2019).
Gehören zum Nachlass Vermögensgegenstände, die teilweise steuerbefreit sind, dann können damit im wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Schulden und Lasten nur soweit abgezogen werden, wie sie dem steuerpflichtigen Teil entsprechen (§ 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG). Als solche Befreiungen kommen u. a. in Betracht:
- Steuerbefreiung von Denkmälern nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG
- begünstigtes Vermögen nach § 13b ErbStG
- zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d ErbStG)
- Familienheim (z. B. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG)
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang liegt nach der BFH-Rechtsprechung vor, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den Vermögensgegenstand betreffen und die Schuld den Vermögensgegenstand auch wirtschaftlich belasten.
Die Pflichtteilsverbindlichkeit steht nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht im Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen.
Die Ausführungen gelten bis zum 28.12.2020. Zur ab dem 29.12.2020 geltenden Rechtslage s. Punkt 2.2.2.
2.2.2 Rechtslage ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2020
Durch das JStG 2020 ist der Abzug von Schulden und Lasten, die in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, beschränkt worden, um aus der Sicht des Gesetzgebers unangemessene steuerliche Vorteile auszuschließen. Gem. § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG a. F. (bzw. § 10 Abs. 6a Satz 3 i. d. F. des JStG 2024) sind künftig nicht unmittelbar zurechenbare Schulden und Lasten – hierzu zählt auch die Pflichtteilslast – anteilig allen Vermögensgegenständen des Erwerbs zuzurechnen. Die Änderungen finden Anwendung auf Erwerbe, für die die Erbschaft- oder Schenkungsteuer nach dem 28.12.2020 entsteht..
Die Gleich lautenden Ländererlasse v. 13.9.2021 geben nun vor, wie die Berechnung der abziehbaren Schulden vorzunehmen ist.
- In einem ersten Schritt sind die Schulden und Lasten, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen (z. B.: das Vermächtnis oder die Pflichtteilsverbindlichkeit), auf alle Vermögensgegenstände des Erwerbs aufzuteilen.
- Der im ersten Schritt berechnete, auf den einzelnen Vermögensgegenstand entfallende Anteil an Schulden und Lasten ist nicht abzugsfähig, soweit dieser Vermögensgegenstand steuerbefreit ist.
Darüber hinaus ist noch Folgendes zu beachten:
Wird eine Steuerbefreiung rückwirkend gemindert oder entfällt sie, wird die Steuerfestsetzung geändert und dabei auch der Abzug der Schulden und Lasten neu berechnet. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Steuerbefreiung rückwirkend erhöht oder erstmalig gewährt wird.
Handelt es sich um eine Steuerbefreiung nach § 13a und § 13c ErbStG gilt Folgendes:
Bei einer Steuerbefreiung nach §§ 13a und 13c ErbStG ist bei der Aufteilung der wirtschaftlich nicht direkt zurechenbaren Schulden nicht auf den einzelnen Vermögensgegenstand, sondern auf die Summe des begünstigten Vermögens abzustellen, da die Steuerbefreiung auf den Gesamtbetrag des begünstigten Vermögens gewährt wird (§ 10 Abs. 6a Satz 6 ErbStG).
Nach § 10 Abs. 6a Satz 8 ErbStG ist der Abzug der anteiligen Schulden und Lasten bei einer Steuerbefreiung nach den §§ 13a und 13c ErbStG begrenzt, soweit für das begünstigte Vermögen eine Steuerbefreiung gewährt wird.
Abzug einer Pflichtteilsverbindlichkeit bei vorhandenem steuerbefreitem Vermögen
Die Großmutter GM hat in ihrem Testament ihre Enkelin EN zur Alleinerbin eingesetzt. Damit wurde die Tochter T von GM enterbt. Die Tochter T macht ihren Pflichtteilsanspruch geltend, dieser beträgt 940.000 EUR. Auf die Besteuerung der T soll in diesem Beispiel aus Vereinfachungsgründen nicht eingegangen werden.
Der Nachlass der Großmutter GM setzt sich aus folgenden Nachlassgegenständen und Schulden zusammen:
1) Wert der Nachlassgegenstände
Begünstigter GmbH-Anteil |
4.500.000 EUR |
Anderes nicht begünstigtes Vermögen (unbebauten Grundstücke und die Wertpapiere) |
+ 2.850.000 EUR |
Summe Nachlassgegenstände |
7.350.000 EUR |
2) Wert der Nachlaßverbindlichkeiten
a) Schuld aus der Anschaffung der GmbH- Anteile |
400.000 EUR |
b) Schuld aus der Anschaffung der Grundstücke |
+ 450.000 EUR |
c) Konsumentendarlehen |
+ 330.000 EUR |
d) Pflichtteilsverbindlichkeit |
+ 940.000 EUR |
e) Beerdigungskosten |
+16.400 EUR |
Summe der Nachlassverbindlichkeiten |
2.156.400 EUR |
Lösung
Die Enkelin EN hat ihren Erwerb als Alleinerbin gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Besteuerung zu unterwerfe...