1.1 Allgemeines
Will der Erblasser einer bestimmten Person nur einen einzelnen Vermögensgegenstand zuwenden, spricht man von einem Vermächtnis. Dabei ist der Begriff des Vermögensvorteils im weitesten Sinne zu verstehen.
Die Anordnung eines Vermächtnisses – die durch Testament oder Erbvertrag vorzunehmen ist – kann verschiedene Gründe haben. So kann der Erblasser jemanden einen bestimmten Gegenstand zukommen lassen wollen, oder er möchte nicht, dass der Bedachte Mitglied der Erbengemeinschaft wird.
Anordnung eines Vermächtnisses
Erblasser E hat 3 Kinder (K1, K2 und K3), die er testamentarisch als seine Erben eingesetzt hat. Dem Enkel EN hat E den Sportwagen vermacht.
Lösung
EN hat hier ein Vermächtnis in Form des Sportwagens erhalten. Da er somit kein Erbe geworden ist, wird er auch kein Mitglied der Erbengemeinschaft, welche hier aus den Kindern K1, K2 und K3 besteht.
Als Vermögensvorteile kommen eine Sache (z. B. ein Grundstück oder ein Pkw) oder ein Recht (z. B. ein Nießbrauchsrecht) in Betracht.
1.2 Ausschlagung des Vermächtnisses
Ebenso wie ein Erbe die ihm angefallene Erbschaft ausschlagen kann, steht auch dem Vermächtnisnehmer das Recht zu, das mit dem Erbfall angefallene Vermächtnis auszuschlagen.
Hat der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis angenommen, kann er es nicht mehr ausschlagen. Es reicht dabei ein schlüssiges Handeln. Im Gegensatz zur Ausschlagung einer Erbschaft, gibt es für die Ausschlagung des Vermächtnisses keine Frist.
Die Ausschlagung muss der Bedachte durch eine formlose Erklärung gegen den Beschwerten vornehmen. Eine Teilausschlagung ist nicht möglich.
Durch die Ausschlagung des Vermächtnisses erledigt sich dieses, sofern der Erblasser keinen Ersatzvermächtnisnehmer benannt hat.
Ausschlagung bei Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern
Für Ehegatten ist bedeutsam, dass die Ausschlagung des Vermächtnisses durch den überlebenden Ehegatten nicht dazu führt, dass der Zugewinnausgleichanspruch verloren geht. Gleiches gilt auch für eingetragene Lebenspartner.
1.3 Beschwerter
Mit einem Vermächtnis beschwerte Personen können der Erbe (gesetzlicher oder testamentarischer) oder ein Vermächtnisnehmer (im Falle eines Untervermächtnisses) sein. Hat der Erblasser keine Bestimmung darüber getroffen, wer Beschwerter sein soll, greift die Auslegungsregelung des § 2147 Satz 2 BGB, wonach der Erbe beschwert sein soll.
Des Weiteren kann der Erblasser auch mehrere Erben oder mehrere Vermächtnisnehmer mit demselben Vermächtnis beschweren.
1.4 Vermächtnisnehmer
Als Vermächtnisnehmer kommen natürliche Personen wie auch juristische Personen in Betracht. Ferner kann Vermächtnisnehmer auch eine Personengesellschaft sein. Hierbei ist auf die Änderungen durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz hingewiesen, durch das ab dem 1.1.2024 ein neuer § 2a ErbStG eingefügt wurde. Weitere Einzelheiten hierzu siehe Punkt 2.4.6.
Darüber hinaus kann auch ein noch nicht gezeugtes Kind Vermächtnisnehmer sein. Bei der Erbeinsetzung ist dagegen Voraussetzung, dass das Kind schon gezeugt ist.
1.5 Vermächtnisarten
1.5.1 Allgemeines
Vermächtnisse können nach ihrer Rechtsgrundlage (z. B. gewillkürte oder gesetzliche) Vermächtnisse, nach der Stellung des Bedachten und Beschwerten und nach ihrem Inhalt eingeteilt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Vermächtnisarten alphabetisch erläutert.
1.5.2 Bestimmungsvermächtnis
Hier hat der Erblasser angeordnet, dass der Beschwerte oder auch ein Dritter zu bestimmen hat, wer von mehreren Personen Vermächtnisnehmer sein soll. Darüber hinaus hat auch der Beschwerte die Art, den Umfang und die Fälligkeit des Vermächtnisses festzulegen. Unterfall des Bestimmungsvermächtnisses ist das Verteilungsvermächtnis.
Dies kann bei der Unternehmensnachfolge genutzt werden.
1.5.3 Ersatzvermächtnis
Aus bestimmten Gründen kann der zunächst Bedachte (Vermächtnisnehmer) wegfallen. Hier hat der Erblasser die Möglichkeit anzuordnen, dass ein Ersatzvermächtnisnehmer anstelle des zunächst Bedachten den Vermächtnisgegenstand erhalten soll. Gründe für den Wegfall des ersten Vermächtnisnehmers können z. B. dessen Tod vor dem Erbfall sein, wodur...