Wird die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ausgelöst, dann gilt die Vorerbfolge als auflösend bedingter und die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Erwerb.
Mögliche Fälle für das Eintreten der Nacherbfolge zu Lebzeiten des Vorerben können z. B. die Wiederheirat des überlebenden Ehegatten (bzw. Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft), die Volljährigkeit des Kinds sein. Gleiches gilt auch für die Geburt eines Kindes.
Während § 6 Abs. 2 ErbStG von 2 Erbfällen ausgeht, liegen hier nur 1 Erbfall (zum Erblasser), aber 2 Erwerber (der Vorerbe und der Nacherbe) vor.
Keine Anwendung der Vorschriften zum mehrfachen Erwerb
Die Vorschrift des § 27 ErbStG (mehrfacher Erwerb desselben Vermögens) findet hier keine Anwendung. Denn wegen der Anrechnung der Erbschaftsteuer unterliegt der Erwerb nicht zweimal, sondern nur einmal der Erbschaftsteuer.
Mit dem Erbfall wird der Vorerbe erbschaftsteuerlich Vollerbe des Erblassers.
Tritt das Ereignis oder die Bedingung ein, dann hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und der Nacherbe wird zum Erben.
Im Gegensatz zur Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG wird der Nacherbe aber nicht Erbe des Vorerben, sondern des Erblassers.
Kein Wahlrecht nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG
Der Nacherbe hat hier nicht die Möglichkeit, wie es das Gesetz in § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG für den Tod des Vorerben vorsieht, sich wahlweise nach dem Vorerben oder dem Erblasser besteuern zu lassen. Dies ist dann nachteilig, wenn er in einem günstigeren Verhältnis zum Vorerben als zum Erblasser steht.
Zusammenrechnungen nach § 14 ErbStG werden hier nur mit Erwerben des Nacherben vom Erblasser vorgenommen. Dies kann dann nachteilig sein, wenn der Nacherbe – innerhalb des 10-Jahreszeitraums – schon Vorschenkungen vom Erblasser erhalten hat.
In Abweichung zur Vorschrift des § 5 Abs. 2 BewG kommt es mit Eintritt der Bedingung nicht zur Berichtigung der Steuer des Vorerben. Stattdessen wird bei der Bemessung der Steuer des Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer angerechnet. Der Anrechnungsbetrag ist aber um denjenigen Steuerbetrag zu kürzen, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht. Die Anrechnung der Steuer kann aber zu keiner Erstattung führen.
Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass die volle Besteuerung des Vorerben insoweit rückgängig gemacht wird, als dieser tatsächlich keine Bereicherung erfahren hat.
Die Berechnung der Steuer des Nacherben ist nach folgendem Schema vorzunehmen
a) Steuer des Nacherben wie im Normalfall für den ganzen Erwerb
b) Steuer, die vom Vorerben entrichtet worden ist,
c) Steuer des Vorerben, die auf seine verbleibende Bereicherung entfällt
d) Unterschied zwischen der erhobenen (b) und verbleibenden (c) Steuer des Vorerben
e) Unterschied zwischen der Steuer des Nacherben (a) und der für den Vorerben zu viel erhobenen Steuer (d)
Nacherbfolge durch Wiederheirat des Vorerben
Der Erblasser E hat seinen Bruder B zum befreiten Vorerben bestimmt. Des Weiteren hat er angeordnet, dass sein Sohn S Nacherbe sein soll. Die Nacherbfolge soll mit der Heirat von B eintreten, spätestens jedoch, wenn B verstirbt.
Der gemeine Wert des Vermögens von E beläuft sich beim Vorerbfall auf 550.000 EUR. 5 Jahre später heiratet B. Zu diesem Zeitpunkt beträgt der gemeine Wert der Erbschaft des E noch 450.000 EUR. B hat von der Erbschaft somit 100.000 EUR verbraucht. Dieser Betrag erhöht sich noch um die Nutzungen i. H. v. 40.000 EUR. Die steuerliche Bereicherung des B beträgt somit 140.000 EUR. E verstirbt im Dezember 2023.
Lösung:
Beim Tod von E wird Bruder B Erbe (Vorerbe) und hat die Erbschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern. Die Erbschaftsteuer von B ermittelt sich wie folgt:
Vermögensanfall |
550.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag |
./. 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb |
530.000 EUR |
Erbschaftsteuer bei einem Steuersatz von 25 % |
132.500 EUR |
Mit der Heirat von B tritt der Nacherbfall ein. Der Sohn S erhält nun die Erbschaft und hat diese ebenfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern.
Die Erbschaftsteuer für S berechnet sich unter Anwendung des obigen Schemas wie folgt:
Zunächst ist die Steuer auf die tatsächliche Bereicherung des B zu errechnen.
Steuerliche Bereicherung des B |
140.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag |
./. 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb |
120.000 EUR |
Erbschaftsteuer bei einem Steuersatz von 20 % |
24.000 EUR |
Anschließend ist die Erbschaftsteuer auf das Nacherbschaftsvermögen des S zu berechnen.
Vermögensanfall des S |
450.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag |
./. 400.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb |
50.000 EUR |
Erbschaftsteuer bei einem Steuersatz von 7 % |
3.500 EUR |
Endgültige Erbschaftsteuer des S unter Anrechnung der Steuer des Vorerben B:
a) |
Steuer des S für den Erwerb des Nacherbschaftsvermögens |
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3.500 EUR |
b) |
Steuer, die der Vorerbe B entrichtet hat |
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132.500 EUR |
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c) |
abzüglich der Steuer, die auf die verbleibende Bereicherung des Vorerben entfällt |
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./. 24.000 EUR |
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