Leitsatz
Erwerber der Steuerklasse II wie etwa Geschwister können unabhängig von den konkreten Lebensverhältnissen nicht von Verfassungs wegen beanspruchen, erbschaftsteuerrechtlich wie Ehegatten oder Lebenspartner behandelt zu werden.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nrn. 4b und 4c, § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1, § 17, § 19 Abs. 1 ErbStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 14 EMRK.
Sachverhalt
Die Klägerinnen und ihr Bruder B beerbten im Jahr 2009 ihren verstorbenen weiteren Bruder E zu gleichen Teilen. Das FA setzte gegen die Klägerinnen und B Erbschaftsteuer fest, wobei es den für Personen der Steuerklasse II vorgesehenen Freibetrag und den für Erwerber der Steuerklassen II und III bestimmten Steuersatz zugrunde legte. Mit den Einsprüchen wurde geltend gemacht, die Klägerinnen sowie B und E hätten eine Lebensgemeinschaft gebildet, sodass sie erbschaftsteuerlich wie Ehegatten oder (eingetragene) Lebenspartner zu behandeln seien. Die Einsprüche blieben erfolglos. Das FG hat die Klagen abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 16.11.2011, 9 K 3197/10, Haufe-Index 2864734, EFG 2012, 855).
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil bestätigt und aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen ebenfalls eine Gleichstellung von Geschwistern mit Ehegatten oder Lebenspartnern verneint.
Hinweis
In der verfassungs- und steuerrechtlichen Diskussion um die Gleichstellung von Ehegatten mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften wird immer wieder die sog. (verwandtschaftliche) Einstandsgemeinschaft, insbesondere diejenige unter Geschwistern, ins Spiel gebracht. Diesen Einstandsgemeinschaften ist derzeit, anders als gleichgeschlechtlichen Paaren, der Zugang zu einer bestimmten Rechtsform derzeit nicht möglich. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden Erwerbe unter Mitgliedern einer Einstandsgemeinschaft unter Geschwistern der Steuerklasse II (§ 15 ErbStG) zugeordnet.
1. Es besteht kein Verfassungsgebot, auch Einstandsgemeinschaften den Ehegatten und Lebenspartners i.S.d. LPartG gleichzustellen. Zwar wäre es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, auch Einstandsgemeinschaften in eine Rechtsform zu bringen. Ein entsprechendes Gebot besteht jedoch nicht.
Solange derartige Regelungen für die Einstandsgemeinschaft fehlen, bestehen zwischen ihren Mitgliedern keine rechtlich verfestigten Beziehungen mit rechtlich verbindlicher Verantwortung für den Partner. Darin liegt der Unterschied zu Ehegatten und (eingetragenen) Lebenspartnern, die z.B. zur ehelichen Lebensgemeinschaft bzw. gemeinsamen Lebensgestaltung und einander zum Unterhalt verpflichtet sind. Auch steht Geschwistern kein Pflichtteilsrecht zu.
2. Auf der Grundlage dieser unterschiedlichen rechtlichen Gegebenheiten ist auch die Steuerklasseneinteilung in § 15 Abs. 1 ErbStG nicht verfassungswidrig. Diese Regelung knüpft an bestimmte bürgerlich-rechtliche Vorgegebenheiten (z.B. Ehe, Verwandtschaft) und damit an rein formale Gesichtspunkte an. Tatsächliche Umstände (z.B. gemeinsames Zusammenleben oder langjährige Fürsorge) spielen keine Rolle und dürfen vom Gesetzgeber aus Gründen der notwendigen Typisierung des Gesetzesvollzugs außer Betracht gelassen werden.
3. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat – zum englischen Recht – bereits entschieden, dass Geschwistern auch dann nicht das Recht zusteht, bei der Erbschaftsteuer wie Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner behandelt zu werden, wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) liege nicht vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.4.2013 – II R 65/11