Leitsatz
1. Der Ertrag aus einer im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe vollzogenen Auflösung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG erhöht grundsätzlich den steuerbegünstigten Betriebsveräußerungs- bzw. Betriebsaufgabegewinn (Anschluss an BFH-Urteile vom 10.11.2004, XI R 69/03, BFH-PR 2005, 131, BStBl II 2005, 596 und XI R 56/03, BFH/NV 2005, 845).
2. Der Steuerpflichtige kann eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG nicht mehr bilden, wenn er im Zeitpunkt der Einreichung des entsprechenden Jahresabschlusses bei der Finanzbehörde bereits den Entschluss gefasst hatte, seinen Betrieb zu veräußern oder aufzugeben.
Normenkette
§§ 7g Abs. 3 bis 5, 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger veräußerte seinen Gewerbebetrieb durch Kaufvertrag vom 13.1.1998 mit Wirkung zum 3.1.1998. Er wies in seiner ESt-Erklärung 1998 einen laufenden Gewinn von 21.199 DM und einen Betriebsveräußerungsgewinn von 440.626 DM aus. Der deklarierte Betriebsveräußerungsgewinn enthielt den Ertrag aus der Auflösung von drei Ansparrücklagen i.H.v. 300.000 DM, die der Kläger erstmals in seiner Bilanz zum 31.12.1996 für die geplante Anschaffung bestimmter beweglicher Wirtschaftsgüter gebildet hatte.
Das FA folgte der Erklärung des Klägers insoweit nicht, als es den Ertrag aus der Auflösung der Ansparrücklagen nicht dem begünstigten Betriebsveräußerungsgewinn, sondern dem laufenden Gewinn des letzten (Rumpf-)Wirtschaftsjahrs 1998 zuordnete. Die dagegen erhobene Klage blieb vor dem FG erfolglos (vgl. EFG 2003, 1605). Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidung
Nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG sei die Ansparrücklage spätestens bis zum Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs Gewinn erhöhend aufzulösen. Habe der Steuerpflichtige seinen Betrieb innerhalb dieser Zweijahresfrist veräußert oder aufgegeben, erhöhe die dadurch veranlasste Auflösung der Rücklage grundsätzlich den Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn.
Habe jedoch der Steuerpflichtige seinen Betrieb bereits im Zeitpunkt der E inreichung der Bilanz, in der die Rücklage erstmals ausgewiesen worden sei, veräußert oder aufgegeben oder habe er zu diesem Zeitpunkt auch nur den Entschluss zur Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe gefasst, so könne er die Rücklage von vorneherein nicht bilden. Nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs sei ein dahingehender, zunächst nicht erkannter Bilanzierungsfehler im ersten noch offenen Veranlagungsjahr zugunsten des laufenden Gewinns zu korrigieren.
Hinweis
1. Nach § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen Wirtschaftsguts eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (sog. Ansparabschreibung). Die Rücklage darf 50 % (ab 2001: 40 %) der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird.
2. Bereits in seinen Urteilen vom 13.5.2004, IV R 11/02 (BFH/NV 2004, 1400) und vom 17.11.2004, X R 41/03 (BFH/NV 2005, 848) hat der BFH entschieden, dass der Steuerpflichtige eine Ansparrücklage nicht mehr bilden kann, wenn die Vornahme der von ihm (vorgeblich) geplanten Investition im Zeitpunkt der Erstellung des entsprechenden Jahresabschlusses und dessen Einreichung beim FA wegen zwischenzeitlicher Betriebsveräußerung oder -aufgabe nicht mehr verwirklicht werden konnte.
Entsprechendes muss nach dem Besprechungsurteil aber auch schon dann gelten, wenn der Steuerpflichtige seinen Betrieb im maßgebenden Stichtag der Einreichung des Jahresabschlusses beim FA zwar noch nicht veräußert oder aufgegeben, jedoch bereits einen entsprechenden Entschluss gefasst hatte.
Ob diese innere Tatsache vorlag, ist eine Tatfrage, deren Aufklärung anhand eines Indizienbeweises dem FG als Tatsacheninstanz obliegt.
3. Der vorliegende Fall betraf einen Unternehmer, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelte. Hier bestand deshalb die Möglichkeit, eine im Erstjahr (1996) zu Unrecht gebildete Ansparrücklage nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs im ersten noch "offenen" Veranlagungsjahr erfolgswirksam – durch Auflösung der Rücklage – zu korrigieren.
Ermittelt der Steuerpflichtige dagegen seinen Gewinn durch Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), so ist dieser Weg versperrt. Hier kann eine Korrektur einer vom Steuerpflichtigen von vorneherein zu Unrecht in Anspruch genommenen Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 EStG nur über eine Berichtigungs- oder Änderungsvorschrift (vgl. §§ 129, 164 Abs. 2, 172 ff. AO) erfolgen.
Ob in diesem Fall die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 oder Abs. 4 AO gegeben sind, ist m.E. zweifelhaft und – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht geklärt worden.
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