Leitsatz
1. Das FG darf Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.
2. Die Übergangsregelung der Finanzverwaltung zur eingeschränkten Anwendung des BFH-Urteils vom 16.12.1993, V R 79/91 (Haufe-Index 64765, BStBl II 1994, 339) kann nach dem BMF-Schreiben vom 13.02.1997 (DStR 1997, 372) dahingehend ausgelegt werden, dass ein Steuerpflichtiger den Erlass der beim Wechsel von der Regel- zur Durchschnittssatzbesteuerung anfallenden Berichtigungsbeträge (§ 15a UStG 1999) nur dann beanspruchen kann, wenn er eine Änderung der Steuerfestsetzungen erreicht, die wegen eines vorherigen Wechsels von der Durchschnittssatz- zur Regelbesteuerung Berichtigungsbeträge zu seinen Gunsten enthalten.
Normenkette
§ 5, § 227 AO, § 15a UStG 1999
Sachverhalt
Der Kläger hatte einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und wechselte zum 01.01.1994 von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung und ab dem 01.01.1999 wieder zurück. Er begehrte erfolglos den Erlass von USt i.H. d. Differenz zwischen Vorsteuerberichtigungsbeträgen zu seinen Lasten (1999ff.) und Vorsteuer bzw. Vorberichtigungsbeträgen zu seinen Gunsten (1994 bis 1998).
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.09.2009, 12 K 122/06, Haufe-Index 2280341, EFG 2010, 991).
Entscheidung
Der BFH bestätigte FA und FG. Verfahrensrechtlich hätte der Kläger innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist der Kalenderjahre 1994, 1996 bis 1998 nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Halbs. 1 AO die Änderung (Rückgängigmachen der zu seinen Gunsten erfolgten Vorsteuerberichtigung) beantragen können. Denn ein Änderungsantrag zuungunsten des Steuerpflichtigen ist – innerhalb der Festsetzungsfrist – jederzeit zulässig. Eine Saldierung (hier der Vorteile in den bestandskräftigen Steuerbescheiden der Jahre 1994 bis 1998 und der Nachteile ab 1999), wie sie der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 23.11.2003, 16 K 329/03 (n.v.; Haufe-Index 1133923) beantragt hatte, lehnte der BFH ab, auch deshalb, weil Bezugspunkt eines Erlasses gem. § 227 AO nur die volle USt-Schuld eines Kalenderjahrs oder ein Teilbetrag davon sein kann.
Hinweis
1. Hat die Verwaltung in einer Verwaltungsvorschrift eine Übergangsregelung zu einer Entscheidung des BFH erlassen, so haben die Gerichte nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Regelung gehalten haben und ob die Regelung selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entspricht. Maßgeblich ist insoweit, wie die Verwaltung die Übergangsregelung verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf nur prüfen, ob die Auslegung der Verwaltungsvorschrift durch die Behörde "möglich" ist. Solche Übergangsregelungen dürfen daher nicht auf ähnliche, aber von der Anweisung nicht erfasste Sachverhalte angewendet werden. Ist die Auslegung des FA "möglich", ist sie für die Gerichte bindend.
2. Wechselt der Landwirt von der Regelbesteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung und umgekehrt, führt dies zu Vorsteuerberichtigungen (BFH, Urteil vom 16.12.1993, V R 79/91, Haufe-Index 64765, BStBl II 1994, 339). Nach der Übergangsregelung zu diesem Urteil konnte bis zu einem Stichtag von einer Vorsteuerberichtigung zulasten des Unternehmers abgesehen werden, wenn der Unternehmer keinen Steuervorteil dadurch erlangt hat, dass Vorsteuerberichtigungsbeträge zu seinen Gunsten berücksichtigt bleiben. Gegebenenfalls sollte der Unternehmer "auf die Geltendmachung von Vorsteuererstattungen nach § 15a UStG (nachträglich) verzichten" können. Die Finanzverwaltung verstand das so, dass die Steuerbescheide, in denen Vorsteuer oder -berichtigungsbeträge zugunsten des Unternehmers berücksichtigt worden waren, noch geändert werden konnten. Diese Auslegung war nicht zu beanstanden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.01.2011 – V R 43/09