Leitsatz
1. Durch die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes
- auf medizinische Stoffe, die üblicherweise für die Herstellung von Medikamenten verwendet werden können und dafür geeignet sind,
- auf Gesundheitsprodukte, Stoffe, Geräte oder Vorrichtungen, die objektiv nur zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Leiden von Menschen oder Tieren verwendet werden können, jedoch nicht üblicherweise für die Linderung oder die Behandlung von Behinderungen verwendet werden und ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten bestimmt sind,
- auf Vorrichtungen und Zubehörteile, die im Wesentlichen oder hauptsächlich dazu dienen können, körperliche Behinderungen von Tieren auszugleichen,
- und schließlich auf Vorrichtungen und Zubehörteile, die im Wesentlichen oder hauptsächlich dazu verwendet werden, Behinderungen des Menschen auszugleichen, jedoch nicht ausschließlich dem persönlichen Gebrauch von Behinderten dienen,
hat das Königreich Spanien gegen seine Verpflichtungen aus Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit ihrem Anhang III verstoßen.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 1; Anlage 2 Nrn. 51 und 52 UStG, Art. 96 und 98 Abs. 2; Anhang III Nrn. 3 und 4 Richtlinie 2006/112/EG
Sachverhalt
Die Kommission erhob Klage wegen einer Regelung des spanischen UStG zum ermäßigten Steuersatz. (siehe 1.)
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Die Richtlinie erlaubt einen ermäßigten Steuersatz für "Arzneimittel, die üblicherweise für die Gesundheitsvorsorge, die Verhütung von Krankheiten und für ärztliche und tierärztliche Behandlungen verwendet werden, einschließlich Erzeugnissen für Zwecke der Empfängnisverhütung und der Monatshygiene" (Nr. 3); davon hat Deutschland keinen Gebrauch gemacht. Ermäßigt besteuert werden können auch "medizinische Geräte, Hilfsmittel und sonstige Vorrichtungen, die üblicherweise für die Linderung und die Behandlung von Behinderungen verwendet werden und die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten bestimmt sind, einschließlich der Instandsetzung solcher Gegenstände, sowie Kindersitze für Kraftfahrzeuge"(Nr. 4); von dieser Ermächtigung ist im Wesentlichen (Ausnahme: Kindersitze) in Anlage 2 Nrn. 51 und 52 Gebrauch gemacht.
2. Als Ausnahmen von der Regel sind Bestimmungen mit ihren autonomen und einheitlich anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Begriffen eng auszulegen. Auch wenn die Mitgliedstaaten, soweit allgemeine Kategorien bezeichnet werden, diese präzisieren müssen, müssen die Konturen des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs beachtet werden.
3. Die Kommission hatte eine spanische Regelung beanstandet. Für das UStG sind im Wesentlichen nur die Ausführungen zu Anhang III Nr. 4 von Bedeutung. Kein ermäßigter Steuersatz ist erlaubt für die tierärztliche Behandlung. Die Ermächtigung umfasst keine Produkte, die auch für Nichtbehinderte verwendet werden können. Beides hatte die spanische Regelung erlaubt. Die Ermäßigungen sollen die Kosten bestimmter unentbehrlicher Gegenstände für den Endverbraucher senken, nicht die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Gesundheitsprodukte rechtfertigen, die zum allgemeinen Gebrauch bestimmt sind und von Krankenhäusern und Fachleuten der Gesundheitsdienste verwendet werden. Die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in einem Fall, in dem ein Gegenstand für unterschiedliche Zwecke verwendet werden kann, ist deshalb für jeden einzelnen Liefervorgang davon abhängig, zu welchem konkreten Zweck der Käufer diesen Gegenstand verwendet.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 17.1.2013, C-360/11Kommission/Spanien