Leitsatz
1. Eintrittserlöse für Musikaufführungen unterschiedlicher Stilrichtungen (v. a. Tech-House, Elektro House, Techno) durch renommierte DJs sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG steuersatzermäßigt, wenn diese Aufführungen den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen.
2. Umsätze aus der Veräußerung von Eintrittskarten für ortsgebundene Veranstaltungen unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16, BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293).
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a, Buchst. d UStG, § 30 UStDV, Art. 98 Abs. 1, Abs. 2, Anh. III Kat. 7 EGRL 112/2006
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GbR, deren Zweck vor allem in der Organisation und Veranstaltung von Musik-Events besteht. Sie führte in mehreren Räumen ("floors") eines stillgelegten Gebäudeareals verschiedene Musikveranstaltungen durch. Hierbei wurde von Discjockeys (DJs) Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z.B. House, Electro, Rave, Trance, Black-R’n’B & Hiphop, 80ies & 90ies Video Disco, Chillout-Ibiza) dargeboten. Daneben veranstaltete sie auch Partys und Open-Air-Discos. Die Veranstaltungen begannen üblicherweise um 23 Uhr (Einlassbeginn). Der Eintritt kostete 5 EUR oder 6 EUR und war nur von Männern zu entrichten, Frauen hatten freien Zugang. Für die jeweilige Veranstaltung engagierte die Klägerin neben lokal und regional tätigen DJs einen, vereinzelt auch mehrere national und international in der Szene durch eigene Musikentwicklungen oder -produktionen, Tonträger-Veröffentlichungen und Tonträgerverkäufe sowie teilweise aus den Musikcharts bekannte und renommierte DJs. Diese "renommierten" DJs traten im "…" auf, der ca. 65 % der angemieteten Gesamtfläche ausmachte. Die drei bis vier Nebenfloors konnten bis zu 200 Besucher fassen. Die Klägerin warb für ihre Veranstaltungen u.a. im Internet und mittels Werbeflyern. Auf der Vorderseite der Werbeflyer waren die jeweiligen Veranstaltungen nach Ort, Datum und Uhrzeit bezeichnet sowie "zumeist junge Frauen, regelmäßig leicht bekleidet" abgebildet. Auf der Rückseite waren das jeweilige "line up", d.h. die einzelnen "floors" mit den jeweiligen DJs aufgeführt. Im Rahmen der Veranstaltungen verkaufte die Klägerin gesondert berechnete Getränke, deren Erlös den aus dem Verkauf von Eintrittskarten erheblich überstieg.
Nachdem die Klägerin ihre Umsätze zunächst vollumfänglich dem Regelsteuersatz unterworfen hatte, reichte sie am 3.6.2010 berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein und beantragte für die Umsätze aus Eintrittsgeldern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Dem folgte das FA nicht. Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 6.6.2016, 5 K 1811/12, Haufe-Index 10899473).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe zwar zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nicht vorliegen. Die Würdigung, wonach die musikalischen Darbietungen der DJs nicht im Vordergrund der Veranstaltung stünden und deswegen auch die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ausscheide, sei jedoch lückenhaft, da sie das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausschöpfe.
Hinweis
1. Vorliegend handelt es sich um eine Parallelentscheidung zum BFH-Urteil vom 23.7.2020, V R 17/17.
2. Ergänzend beschäftigt sich der BFH hier mit der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG für "die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze". Bei den Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller handelt es sich gemäß § 30 UStDV um "Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen."
Der BFH verweist insoweit darauf, dass § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nur die Schausteller erfasst, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht aber auch ortsgebundene Schaustellerunternehmen. Die Steuersatzermäßigung erfordert daher, dass der jeweilige Umsatz auf einer nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung des Steuerpflichtigen beruht und u.a. Musikaufführungen oder ähnliche Veranstaltungen umfasst. Daran fehlt es, wenn Konzerte in gemieteten Räumen und damit ortsfest stattfinden. Unerheblich ist dabei, ob die engagierten Künstler selbst von Ort zu Ort ziehen, wenn es um die Beurteilung der Umsätze des Veranstalters (der Klägerin) geht und nicht um die der Künstler.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.6.2020 – V R 16/17