Leitsatz
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwendungen gem. § 4h EStG (sog. Zinsschranke) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
2. Eine AdV ist nicht deswegen zu versagen, weil zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird (Anschluss an BFH, Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13, BFH/NV 2014, 269).
Normenkette
§ 8a KStG, § 4h Abs. 1, Abs. 2 EStG, § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine GmbH, stellte Produkte auf einem angepachteten Grundstück und in angepachteten Gebäuden her. Sie hielt zudem die Anteile an verschiedenen Tochtergesellschaften im Ausland. Ihre Gesellschafter waren im Streitjahr zu 50 % eine GmbH & Co. KG, im Übrigen natürliche Personen, u.a. der unmittelbar und mittelbar beteiligte Alleingesellschafter der GmbH & Co. KG war.
Die Antragstellerin erwirtschaftete im Streitjahr ein Einkommen vor Zinsen i.H.v. rd. ./. 5,67 Mio. EUR. Ihr entstand im selben Zeitraum ein Zinsaufwand i.H.v. rd. 9,6 Mio. EUR; die Zinserträge beliefen sich auf rd. 1,85 Mio. EUR und die Abschreibungen auf rd. 2,7 Mio. EUR.
Das FA ging unter Anwendung der sog. Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG davon aus, dass von dem Zinsaufwand lediglich ein Betrag i.H.v. rd. 3,3 Mio. EUR als Betriebsausgabe abgezogen werden könne. Der verbleibende Zinsaufwand i.H.v. rd. 6,9 Mio. EUR könne nur als Zinsvortrag festgestellt werden. Hiervon ausgehend setzte es KSt für 2008 i.H.v. rd. 11.300 EUR fest.
Die Antragstellerin hat gegen den KSt-Bescheid Einspruch eingelegt, über den bislang noch nicht entschieden worden ist. Den parallel gestellten Antrag auf AdV lehnte das FA ab, ebenso wie anschließend das FG (FG Münster, Beschluss vom 29.4.2013, 9 V 2400/12 K, Haufe-Index 4332019, EFG 2013, 1147).
Entscheidung
Der BFH hatte demgegenüber ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke. Er gab dem AdV-Antrag deswegen statt.
Hinweis
1. Es geht um die viel diskutierte Frage danach, ob die sog. Zinsschranke, geregelt in § 4h EStG, § 8a KStG,"verfassungsfest" ist. Der BFH hat das im "summarischen" Prüfmaßstabdes einstweiligen Rechtsschutzes verneint und entsprechende ernstliche Zweifel konstatiert.
a) Zinsaufwendungen eines Betriebs sind nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens, abziehbar. Danach verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG).
Ausnahmetatbestände davon enthält § 4h Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Zinsschranke entfällt danach, wenn
- der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als drei Mio. EUR beträgt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG). Die ursprünglich vorgesehene Freigrenze i.H.v. nur 1 Mio. EUR wurde durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.7.2009 rückwirkend angehoben (vgl. § 52 Abs. 12d Satz 3 EStG); der BFH hatte das in seinem Beschluss bedauerlicherweise – in der Sache gleichwohl aber "unschädlich" – zunächst übersehen, sodann aber im Beschlusswege korrigiert.
- der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG) oder
- der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (Eigenkapitalvergleich) (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG).
b) Der BFH nimmt – wie gesagt: im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG an: Es könnten gewichtige Gründe dafür ins Feld geführt werden, dass die Zinsschranke eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem und damit gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nach sich zieht. Und durch die Zinsschranke könnte der Gesetzgeber überdies das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des KSt-Rechts am Gebot der finanziellen Leistungsfähigkeit durchbrochen haben. Das wird sodann im Einzelnen entwickelt und dargelegt.
c) Das mag den einen oder den anderen, namentlich aus der Finanzverwaltung, "revolutionär" dünken. Immerhin kann der BFH sich aber auf eine Vielzahl von Stimmen, ja die sog. herrschende Meinung im Schrifttum stützen.
Und ohnehin hatte sich der Schritt in die Annahme der Verfassungswidrigkeit der Zinsschranke bereits abgezeichnet, nämlich im BFH-Beschluss vom 13.3.2012, I B 111/11 (BStBl II 2012, 611, BFH/NV 2012, 1073, BFH/PR 2012, 243). Seinerzeit wurde der "große Wurf" ersichtlich nur deshalb vermieden (und konnte er vermieden werden), weil es um eine besonders augenfällig zweifelhafte Konstellation ging: § 8a Abs. 2 Alt. 2 KStG erfasst im Rahmen der Zinsschranke nicht nur sog. Back-to-back-Finanzierungen, sondern auch übliche Fremdfinanzierungen von Kapi...