Leitsatz
Auch nach Ergehen des BFH-Urteils vom 25.11.2009, I R 72/08 (BFH/NV 2010, 535, BFH/PR 2010, 125) ist ernstlich zweifelhaft, ob die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zur Aufdeckung stiller Reserven führt.
Normenkette
§ 6 Abs. 5 EStG, § 69 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
Eine GmbH & Co. KG übertrug im Jahr 2006 drei Grundstücke des Betriebsvermögens auf eine neu gegründete beteiligungsidentische Schwester-GmbH & Co. KG. Die Übertragung der Grundstücke diente zur Erbringung der Kommanditeinlagen und wurde zum Buchwert durchgeführt. Der die Kommanditeinlage übersteigende Betrag wurde auf einem Rücklagenkonto erfasst.
Das FA behandelte den Vorgang als gewinnrealisierende Entnahme aus der Ursprungsgesellschaft und anschließende Einlage. Gegen den betreffenden geänderten Gewinnfeststellungsbescheid legte die Ursprungsgesellschaft Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung. Weder FA noch FG gaben dem Antrag statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.07.2009, 1 V 54/09).
Entscheidung
Der BFH vertrat eine andere Auffassung und setzte die Vollziehung aus. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Übertragung der Grundstücke auf eine beteiligungsidentische Schwestergesellschaft als gewinnrealisierende Entnahme behandelt werden müsse.
Hinweis
1. Die Entscheidung ist in Zusammenhang mit dem Urteil des BFH vom 25.11.2009, I R 72/08 (BFH/NV 2010, 535, BFH/PR 2010, 125) zu sehen. Dort hatte der I. Senat des BFH über die seit Jahren intensiv diskutierte Frage entschieden, ob seit Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 EStG in seiner heutigen und nun seit 2001 geltenden Fassung ein Buchwerttransfer von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften möglich ist.
Der I. Senat verneinte die Frage, weil derartige Vorgänge in der Vorschrift nicht erwähnt seien und den Gesetzesmaterialien entnommen werden könne, dass Anträge zur Implementierung einer entsprechenden Regelung keine Mehrheit gefunden hätten. In dem damaligen Fall waren Grundstücke von einer GmbH & Co. KG auf eine GbR übertragen worden, an deren Vermögen jeweils dieselben beiden Gesellschafter je zur Hälfte beteiligt waren.
2. Der hiesige Beschluss betrifft einen nahezu identischen Fall. Es wurden Grundstücke zwischen zwei GmbH & Co. KGs übertragen, an denen jeweils dieselben beiden Personen mit demselben Beteiligungsverhältnis als Kommanditisten beteiligt waren. Der IV. Senat des BFH beantwortet die Rechtsfrage, ob der Transfer zum Buchwert abgewickelt werden kann, in einem summarischen Verfahren abweichend vom I. Senat.
Seiner Überzeugung nach ist ein Buchwerttransfer zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften möglich. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen.
Kern der Argumentation des IV. Senats ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG, der die Überführung zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen zum Buchwert vorsieht. Wegen des für die Personengesellschaft einkommensteuerlich geltenden Transparenzprinzips seien die Betriebsvermögen zweier beteiligungsidentischer Personengesellschaften wie die Betriebsvermögen desselben Einzelunternehmers zu behandeln.
3. Die jetzige Entscheidung ist im Rahmen eines summarischen Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung getroffen worden. Sie konnte deshalb noch nicht zur endgültigen Klärung der Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Senaten führen. Dies wird dem nächsten Revisionsverfahren vorbehalten bleiben, das in dieser Sache geführt werden wird. Einstweilen bleibt die Unklarheit weiter bestehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 15.04.2010 – IV B 105/09