Leitsatz

1. Der Begriff "unentgeltliche Zuwendung" i.S.v. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG 1999 setzt nicht lediglich die Unentgeltlichkeit einer Lieferung voraus, sondern verlangt darüber hinaus, dass der Zuwendende dem Empfänger zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft.

2. Einen solchen Vermögensvorteil verschafft ein Unternehmer der Bundesrepublik Deutschland, wenn er auf eigene Kosten auf deren Grundbesitz einen Kreisverkehr errichtet.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG 1999, Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger errichtete im Streitjahr 1999 eine Tankstelle auf seinem in der Nähe einer Autobahnanschlussstelle gelegenen Grundstück. Er verpflichtete sich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (BRD), auf eigene Kosten auf deren Gelände einen Kreisverkehr zu errichten. Die Erfüllung dieser Verpflichtung war Bedingung für die Erteilung der Baugenehmigung für die Tankstelle durch die Gemeinde.

Der Kläger vermietete die Tankstelle. Der jährliche Mietzins setzte sich aus einem Festbetrag zuzüglich 8,25 % der Baukosten für die Tankstelle und den Kreisverkehr zusammen.

Das FA sah in der Errichtung des Kreisverkehrs eine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Zuwendung i.S.d. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG an die BRD.

Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 16.09.2004, 5 K 4920/01 U, Haufe-Index 1770801, EFG 2007, 1559).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte aus den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen keinen Erfolg.

 

Hinweis

1. Nach dem seit dem 01.04.1999 in das deutsche UStG aufgenommenen § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG wird einer Lieferung gegen Entgelt – neben Entnahmen für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke und unentgeltlichen Zuwendungen an das Personal – auch gleichgestellt "jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens".

Es handelt sich dabei um eine dem deutschen Rechtsverständnis bislang fremde Vorschrift (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 8. Aufl., § 3 Rn. 1260). Sie soll der Vermeidung eines umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauchs dienen (BT-Drucks 14/23, S. 196). Ein solcher könnte eintreten, wenn der Steuerpflichtige aus unternehmerischen Gründen Gegenstände, für die er einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, unentgeltlich jemandem zuwendet, der sie nicht für seine unternehmerischen Zwecke nutzt.

2.§ 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG ist auf Art. 5 Abs. 6 der 6.EG-RL zurückzuführen. Danach wird einer Lieferung gegen Entgelt u.a. gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben.

Der EuGH hat Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-RL dahin verstanden, dass unentgeltliche Zuwendungen den entgeltlichen Lieferungen auch dann gleichgestellt sind, wenn sie zu Zwecken des Unternehmens erfolgt sind (Urteil vom 27.04.1999, Rs. C-48/97, "Kuwait Petroleum", Slg. 1999, I-2323, Rn. 22).

3. Baut ein Unternehmer auf fremdem Grund und Boden eine Straße (Kreisverkehr), wird der Grundstückseigentümer auch der rechtliche Eigentümer des Bauwerks. Jedenfalls dann, wenn sich der Unternehmer keine Nutzungsrechte vorbehalten hat, liegt eine zielgerichtete Zuwendung an den Grundstückseigentümer vor. Diese ist unentgeltlich, wenn der Grundstückseigentümer kein Entgelt für das Bauwerk zu zahlen hat.

4. Im Besprechungsfall entfällt die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht dadurch, dass der Kläger ohne die Errichtung des Kreisverkehrs von der Gemeinde nicht die Genehmigung für die Errichtung der Tankstelle auf seinem eigenen Grundstück erhalten hätte. Die Erteilung der Baugenehmigung ist ein Hoheitsakt und wäre selbst dann kein Entgelt für die Errichtung des Kreisverkehrs, wenn die Gemeinde die Grundstückseigentümerin wäre.

Auch der Umstand, dass die Baukosten für die Errichtung des Kreisverkehrs in die Bemessung des vom Mieter der Tankstelle zu zahlenden Mietzinses eingeflossen sind, macht die Zuwendung nicht entgeltlich. Der Mieter zahlt die Miete für die Überlassung der Tankstelle und nicht für die Zuwendung des Kreisverkehrs an die öffentliche Hand.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.05.2008, XI R 60/07

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