OFD Hannover, Verfügung v. 21.12.2007, S 0166 - 70 - StO 142
Auch ohne eine formelle Abtretung oder Verpfändung von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen ist eine Auszahlung an Dritte möglich. Die Sonderbestimmungen des § 46 AO gelten in diesen Fällen nur hinsichtlich des geschäftsmäßigen Erwerbs von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen (hierzu s. AO-Kartei § 46 Karte 3 Nr. 2.6) (Abs. 4). Die amtliche Überschrift zu dieser Vorschrift lautet zwar „Abtretung, Verpfändung, Pfändung”; die Bestimmungen des § 46 Abs. 4 AO gelten jedoch nach ihrem Wortlaut ohne Einschränkung für sämtliche Forderungsübergänge an Dritte.
1. Zahlungsanweisung
1.1 Allgemeines
Mit einer Zahlungsanweisung, für die die Vorschriften der §§ 783 ff. BGB gelten, kann ein Erstattungsberechtigter (Stpfl.) seinen Schuldner (FA) veranlassen, den ihm zustehenden Erstattungsbetrag an einen Dritten auszuzahlen. Durch die Zahlungsanweisung wird der Anweisungsempfänger (Dritter) ermächtigt, die Leistung beim Angewiesenen (FA) im eigenen Namen zu erheben, und das FA wird ermächtigt, an den Empfänger für Rechnung des Anweisenden (Stpfl.) zu leisten.
Bei Zahlungsanweisungen dieser Art liegt i.d.R. ein Verstoß gegen § 46 Abs. 4 AO nicht vor, wenn sich ein Anweisungsempfänger mehrere Zahlungsanweisungen von verschiedenen Steuerpflichtigen erteilen lässt. Denn mit der Erteilung einer Zahlungsanweisung ist ein Erwerb i.S. dieser Vorschrift nicht verbunden; der Anweisungsempfänger tritt hinsichtlich des Erstattungsanspruchs nicht in die Rechtsstellung des Anweisenden ein (zur Einschränkung siehe Tz. 1.5).
Soll eine Zahlungsanweisung wirksam werden, muss sie durch das FA angenommen werden. In der Praxis nimmt das FA die Anweisung in der Regel nicht förmlich an, sondern konkludent durch Auszahlung an den Anweisungsträger.
1.2 Form
Anders als bei der Abtretung sind für die Zahlungsanweisung keine besonderen Formvorschriften zu beachten; insbesondere braucht keine Abtretungsanzeige eingereicht zu werden. Es genügt, wenn der Steuerpflichtige schriftlich erklärt, dass der Erstattungsbetrag an den Anweisungsempfänger ausgezahlt werden soll; die Anweisung kann auch in der Steuererklärung vorgenommen werden.
Grundsätzlich nicht möglich ist es, eine unwirksame Abtretung in eine Zahlungsanweisung (des Steuerpflichtigen an das FA) umzudeuten (FG Baden-Württemberg vom 1.12.1982, X 363/81, EFG 1983 S. 388).
1.3 Widerruf
Solange das FA die Anweisung nicht angenommen und die Zahlung noch nicht geleistet hat, kann der Steuerpflichtige die Anweisung selbst dann widerrufen, wenn er im Innenverhältnis eine entgegenstehende Verpflichtung eingegangen ist (§ 790 BGB). Für den Angewiesenen (FA) entsteht ein Leistungszwang (erst) durch die Annahme der Anweisung (§ 784 BGB).
1.4 Keine Vorrangstellung
Eine Zahlungsanweisung räumt dem Anweisungsempfänger keine Vorrangstellung gegenüber etwaigen anderen Gläubigern (Pfändungsgläubiger, Abtretungsempfänger) ein.
1.5 Keine Verpflichtung des Finanzamts zur Annahme der Zahlungsanweisung
Auf die Annahme der Zahlungsanweisung durch den Angewiesenen (FA) hat weder der Steuerpflichtige noch der Anweisungsempfänger einen Rechtsanspruch. Es ist in das Ermessen des Finanzamts gestellt, ob es die Anweisung annehmen will (s. AEAO zu § 80 Nr. 2).
Zahlungsanweisungen sind nicht anzunehmen, wenn damit eine Umgehung der Regelungen des § 46 AO bezweckt wird, z.B. bei einem wegen Geschäftsmäßigkeit unzulässigen Erwerb von Steuererstattungs- oder Vergütungsansprüchen (so auch zuletzt AO-RefL in AO II/2007 zur Frage der Vorlage von Zahlungsanweisungen im Rahmen der EHZ zugunsten der Bank). Denn der Anweisungsempfänger wird durch die Annahme der Zahlungsanweisung zwar nicht rechtlich, aber doch letztendlich wirtschaftlich so gestellt, als sei der Erstattungs- oder Vergütungsanspruch an ihn abgetreten worden. Dies gilt auch für Zahlungsanweisungen zugunsten des steuerlichen Beraters eines Steuerpflichtigen.
Außerdem kommt die Annahme einer Zahlungsanweisung nicht in Betracht, wenn dadurch der Schutzzweck des § 46 Abs. 2 bis 4 AO umgangen würde. Dieser Schutzzweck besteht im Wesentlichen darin, dass vor allem unerfahrene Lohnsteuerpflichtige unüberlegt ihre Erstattungsansprüche, deren Höhe sie meist nicht kennen, zu unangemessenen Bedingungen abtreten (z.B. bei Vorfinanzierungen des Erstattungsbetrages). Ich bitte, diese Grundsätze bei der Beantwortung der Frage, ob eine Zahlungsanweisung angenommen werden soll oder nicht, zu beachten.
Beispielfälle, in denen die Annahme einer Zahlungsanweisung nicht verweigert werden soll:
- Eine OHG beantragt, Erstattungsbeträge an ihre Gesellschafter auszuzahlen.
- Ein Exporteur beantragt, seinen Vorsteuerabzug an seinen Lieferanten auszuzahlen.
- Ein Student weist die Einkommensteuererstattung auf das Bankkonto seiner Eltern an.
In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Erstattungsbetrag ohne Umweg und ohne größere Formalitäten einem Zweck zugeführt werden soll, den der Steuerpflichtige für die Zahlung ohnehin vorgesehen hat.
Das FA ...