Leitsatz

Einkommensteuer-Vorauszahlungen sind zu erstatten, wenn das Finanzamt einen Jahressteuerbescheid wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen kann.

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte Vorauszahlungen zur Einkommensteuer für die Jahre 1999 und 2000 gezahlt, aber vom Finanzamt keine Jahresveranlagung zur Einkommensteuer 1999 und 2000 erhalten. Deshalb beantragte er 2008 deren Erstattung. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Abrechnungsbescheid, wonach hinsichtlich der Vorauszahlungen kein Erstattungsanspruch des Klägers bestand. Hiergegen legte er 2009 Einspruch ein, mit der Begründung, dass zum 31.12.2006 bzw. 2007 die Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Vorauszahlungsbescheide seien dadurch gemäß § 124 Abs. 2 AO"auf andere Weise" erledigt.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht. Entgegen der Ansicht des Finanzamts haben sich die Vorauszahlungsbescheide mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem dadurch bedingten Erlöschen des Steueranspruchs "auf andere Weise" i. S. v. § 124 Abs. 2 AO erledigt. Damit sei der rechtliche Grund für die Vorauszahlungen weggefallen; diese seien folglich zu erstatten, erklärten die Richter. Im Vorauszahlungsbescheid werden Vorauszahlungen auf die für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich geschuldete Steuerschuld festgesetzt (vgl. § 37 Abs. 1 EStG), die auf die Einkommensteuer angerechnet werden (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Der Vorauszahlungsbescheid treffe damit lediglich eine vorläufige Regelung bis zur endgültigen Steuerfestsetzung. Die auf seiner Grundlage geleisteten Vorauszahlungen stünden unter dem Vorbehalt, dass später eine endgültige Steuer in dieser Höhe festgesetzt werde (so ausdrücklich BFH, Urteil v. 13.3.1979, III R 79/77).

Ergehe ein solcher Jahressteuerbescheid, sei der Vorauszahlungsbescheid unzweifelhaft i. S. v. § 124 Abs. 2 AO"auf andere Weise" erledigt. Gleiches müsse nach Ansicht des Finanzgerichts deshalb auch gelten, wenn ein Jahressteuerbescheid nicht mehr ergehen kann, weil der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen ist. Denn die Regelungswirkung eines Vorauszahlungsbescheids sei von vornherein sachlich und zeitlich begrenzt. Stehe fest, dass es zu keiner endgültigen Festsetzung der Steuerschuld und damit auch zu keiner Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG mehr kommen kann, werde die im Vorauszahlungsbescheid enthaltene vorläufige Regelung gegenstandslos.

Der Vorauszahlungsbescheid erledige sich dann "auf andere Weise" mit der Folge, dass der Rechtsgrund für die Vorauszahlungen entfalle und diese zu erstatten sind.

 

Hinweis

Im Streitfall war die Festsetzungsfrist gemäß §§ 169 Abs. 2 Nr. 1, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO zum 31.12.2006 (ESt/SolZ 1999) bzw. 2007 (ESt/SolZ 2000) abgelaufen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war in diesem Fall nicht nach § 171 Abs. 14 AO gehemmt. Zwar endet die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch gemäß § 171 Abs. 14 AO nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228). Die Vorschrift war aber nicht einschlägig. Die Norm soll verhindern, dass Steuerpflichtige Zahlungen, die sie bereits aufgrund eines Steuerbescheids geleistet haben, später mit der Behauptung zurückfordern können, der Steuerbescheid sei nicht wirksam bekannt gegeben worden (vgl. BT-Drucksache 10/1636, 44).

Im Übrigen ist zu beachten, dass der auf die geleisteten Vorauszahlungen gerichtete Erstattungsanspruch mit Ablauf der Festsetzungsfrist entsteht und deshalb nicht zur Verlängerung der bereits abgelaufenen Festsetzungsfrist führen kann. Die gegenteilige Annahme beruhe nach Ansicht der Richter auf einer unzulässigen Umkehrung der Normaussage.

 

Link zur Entscheidung

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.2012, 2 K 2259/10

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