Leitsatz
Wer gegenüber dem Finanzamt anzeigt, das er beabsichtigt, im Rechtsverkehr als Unternehmer aufzutreten, dem ist gemäß §§ 14, 14a UStG eine Steuernummer zu erteilen. Es gibt keine Gesetzesgrundlage, die der Finanzbehörde erlauben würde, die Zuteilung einer Steuernummer zur Abwehr der Gefahr eines zu Unrecht angenommenen Unternehmerstatus zu verweigern.
Sachverhalt
Ein polnischer Staatsbürger hat am 1.2.2006 das Gewerbe eines Trockenbauers in einer deutschen Gemeinde angemeldet. Er wohnt bei Verwandten, wobei er sich mit einem Verwandten ein Zimmer teilt. Seine Familie, eine Frau und ein Kind blieben in Polen. An der Türklingel war ein Hinweis auf das Trockenbauergewerbe angebracht. Der Trockenbauer beantragte mit Schreiben vom 17.2.2006 die Zuteilung einer Steuernummer sowie, ihm eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG auszustellen. Das Finanzamt lehnte dies ab und begründete dies mit der fehlenden Unternehmereigenschaft. Dagegen legte der spätere Kläger Einspruch ein, denn das Finanzamt negativ beschied. Den Einspruch nahm das Finanzamt allerdings zum Anlass, eine Umsatzsteuersonderprüfung anzuordnen und eine Umsatzsteuer von über 1.000 Euro festzusetzen. Der Bescheid enthielt eine vollständige Steuernummer sowie den Hinweis, dass die genannte Steuernummer keine Bestätigung der Unternehmereigenschaft bedeutet und für Zeiträume vor und nach Abwicklung der Festsetzung für den Zeitraum April 2006 nicht gültig sei.
Entscheidung
Das Finanzgericht Münster hat dem Kläger ohne Wenn und Aber Recht gegeben. Eine gesetzliche Regelung für die Erteilung einer Steuernummer gibt es zwar nicht, weil es an einer - mit der Zuteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in den §§ 139b und 139c AO vergleichbaren - Regelung fehlt. Wer sich unternehmerisch betätigen möchte, hat jedoch einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer eigener Art, was sich nicht nur aus den §§ 14, 14a UStG ergibt, sondern auch aus der - wenn auch nur verwaltungsinternen - Buchungsordnung für die Finanzämter (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 5 Satz 1 BuchO). Andernfalls wäre jeder Steuerpflichtige, insbesondere im Rechtsverkehr und im Austausch mit den Finanzbehörden, nur eingeschränkt handlungsfähig. Ob der Antragsteller nach Erteilung der Steuernummer sich tatsächlich unternehmerisch betätigt oder nicht, muss in einem gesonderten Verfahren geprüft werden, nicht im Rahmen der Zuteilung einer Steuernummer. Das Gesetz bietet keine Grundlage dafür, dass einem Antragsteller bereits vorab zur Gefahrenabwehr keine Steuernummer zugeteilt wird. Da es sich bei der Steuernummergewährung um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt, ist auch die Nebenbestimmung des Finanzamtes nichtig, dass die im Umsatzsteuerbescheid für April 2006 erteilte Steuernummer nur für diesen Zeitraum gilt. Da das Finanzamt auch keine Begründung zur Gefährdung von Steueransprüchen anführen konnte, war im Übrigen auch dem Antrag auf Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG stattzugeben. Dieser Rechtsanspruch besteht unabhängig von der Annahme als Unternehmer im Sinne von § 2 UStG. Das EStG spricht insoweit nur vom Leistenden nicht vom Unternehmer.
Hinweis
Das Finanzgericht hat das Finanzamt in wenigen Sätzen abgebürstet. Zu Recht: Die örtlichen Beamten haben sich auf dünnem Eis bewegt: Sie haben einen berechtigten Antrag eines unternehmerisch tätigen polnischen Staatsangehörigen nicht nur ignoriert, sondern - Angriff ist die beste Verteidigung - mit der Anordnung einer Umsatzsteuersonderprüfung beantwortet. Sie haben daraufhin zwar Umsatzsteuer festgesetzt und dabei eine Steuernummer erteilt, jedoch gleichzeitig verfügt, dass diese Steuernummer vom Steuerbürger nicht verwendet werden darf. Es wurden jedoch keinerlei Ermittlungen angestellt, ob der Antragsteller tatsächlich unternehmerisch tätig ist. Für diese Vorgehensweise bedarf es schon einer gehörigen Portion Ignoranz und eines totalitären Verständnisses von Verwaltungshandeln - ganz abgesehen von der Frage, wie deutsche Behörden mit Unternehmern aus angrenzenden EU-Ländern umzugehen haben. Das Finanzgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen, die von Gesetzes wegen nur im Sinne des Finanzgerichts entschieden werden kann. Man mag die Freizügigkeit für osteuropäische Unternehmer seit der vorletzten EU-Erweiterung für wünschenswert halten oder nicht, die Finanzverwaltung unterliegt der strikten Gesetzesbindung und damit auch den Vorgaben des EU-Rechts. Es geht nicht an, das durch behördliche Schikanen die rechtlichen Verpflichtungen aus den EU-Verträgen außer Kraft gesetzt werden.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 27.03.2007, 1 K 3553/06 S