BMF, Schreiben v. 25.11.2004, IV C 1 - S 2252 - 405/04, BStBl I 2004, 1096
Durch das Alterseinkünftegesetz ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG neu gefasst worden. Nach § 52 Abs. 36 EStG ist für vor dem 1.1.2005 abgeschlossene Versicherungsverträge § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Zu einigen Fragen der Neufassung und der Übergangsregelung gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
1. Für die Frage, ob noch § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung anzuwenden ist, kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an. Der Versicherungsvertrag kommt mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Versicherers beim Versicherungsnehmer zustande. Für die steuerrechtliche Beurteilung ist unter dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses grundsätzlich das Datum der Ausstellung des Versicherungsscheines zu verstehen (vgl. auch BMF-Schreiben vom 22.8.2002, BStBl 2002 I S. 827, Rdnr. 8). Die Regelungen zur Rückdatierung (BMF-Schreiben vom 22.8.2002, a.a.O., Rdnr. 9) sind in diesem Zusammenhang nicht anzuwenden.
Im Abschluss sog. Vorratsverträge ist regelmäßig ein steuerrechtlicher Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO zu sehen. Bei Versicherungsverträgen, die zwar noch im Jahr 2004 abgeschlossen werden, bei denen der vereinbarte Versicherungsbeginn aber erst nach dem 31.3.2005 liegt, kommt steuerlich der Vertragsabschluss zu dem Zeitpunkt zustande, zu dem die Versicherung beginnt.
2. Ob bei bereits bei Vertragsabschluss vereinbarten Beitragsanpassungen in vollem Umfange ein Altvertrag vorliegt, hängt davon ab, ob die vereinbarten Beitragsanpassungen als rechtsmissbräuchlich einzustufen sind (vgl. Rdnr. 38 des BMF-Schreibens vom 22.8.2002, a.a.O). Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Beitragserhöhung pro Jahr 20 % des bisherigen Beitrags nicht übersteigt. Dabei ist es unbeachtlich, ob die Beitragserhöhung durch Anwendung eines Prozentsatzes oder eines vergleichbaren Dynamisierungsfaktors, bezifferter Mehrbeträge oder durch im Voraus festgelegte feste Beiträge ausgedrückt wird. Im Falle einer Beitragserhöhung pro Jahr um mehr als 20 % des bisherigen Beitrags, handelt es sich nicht um einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten,
- wenn die jährliche Beitragserhöhung nicht mehr als 250 EUR beträgt oder
- wenn der Jahresbeitrag bis zum fünften Jahr der Vertragslaufzeit auf nicht mehr als 4.800 EUR angehoben wird und der im ersten Jahr der Vertragslaufzeit zu zahlende Versicherungsbeitrag mindestens 10 % dieses Betrages ausmacht oder
- wenn der erhöhte Beitrag nicht höher ist, als der Beitrag, der sich bei einer jährlichen Beitragserhöhung um 20 % seit Vertragsabschluss ergeben hätte.
Ist die Erhöhung der Beitragsleistung als missbräuchlich einzustufen, sind die insgesamt auf die Beitragserhöhung entfallenden Vertragsbestandteile steuerlich als gesonderter „neuer Vertrag” zu behandeln. Der „neue Vertrag” gilt in dem Zeitpunkt als abgeschlossen, zu dem der auf den Erhöhungsbetrag entfallende Versicherungsbeginn erfolgt.
3. Für das Vorliegen einer kapitalbildenden Lebensversicherung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG n.F. ist abweichend vom bisherigen Recht weder ein Mindesttodesfallschutz noch eine laufende Beitragsleistung für mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erforderlich (vgl. zum alten Recht BMF-Schreiben vom 22.8.2002, a.a.O., Rdnr. 12 und 23 ff.), sofern es sich um eine Lebensversicherung im Sinne des Versicherungsaufsichtsrechts handelt. Bei Verträgen, bei denen es sich nicht um eine Lebensversicherung im Sinne des Versicherungsaufsichtsrechts handelt, richtet sich die Besteuerung des Kapitalertrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 7i.V. mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe c und Satz 4 EStG.
4. Sind bei der kapitalbildenden Lebensversicherung neben dem Todesfallrisiko noch zusätzlich andere Risiken (z.B. Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit) abgesichert worden, sind bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrags nicht die gesamten Beiträge von der Versicherungsleistung oder dem Rückkaufspreis abzuziehen. Vielmehr sind die Beitragsanteile außer Betracht zu lassen, die das Versicherungsunternehmen diesen Risiken aufgrund individueller oder pauschaler Kalkulation zugeordnet hat. Bei der Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung zählt das Unfallrisiko wie das Todesfallrisiko der kapitalbildenden Lebensversicherung nicht zu den zusätzlichen Risiken, deren Beitragsbestandteile außer Betracht zu lassen sind.
5. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG knüpft an den nur in § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. enthaltenen Satz 4 dieser Vorschrift an. Er ist deshalb nur in den Fällen der Absicherung von Darlehen durch Ansprüche aus Versicherungsverträgen anzuwenden, auf die ganz oder teilweise noch § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. anzuwenden ist.
6. Für Verträge, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden, gilt hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs weiterhin das BMF-Schreiben vom 22.8....