Leitsatz
Einem grundstücksverwaltenden Unternehmen ist die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG unbeschadet des darin bestimmten Ausschließlichkeitsgebots zu gewähren, wenn das Unternehmen sein einziges Grundstück zum 31.12, 23.59 Uhr, des Erhebungszeitraums veräußert (Abgrenzung vom Senatsbeschluss vom 17.10.2002, I R 24/01, BStBl II 2003, 355).
Normenkette
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, hat bis zum Streitjahr 1996 eigenen Grundbesitz verwaltet. Seit Anfang 1997 erzielte sie nur noch Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ihr einziges und letztes Grundstück veräußerte sie durch notariellen Vertrag vom 21.11.1996. Der Kaufpreis war am 31.12.1996 fällig und zahlbar. Besitz, Nutzungen, Verkehrssicherungspflichten, die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung sowie die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus dem den übertragenen Grundbesitz betreffenden Versicherungen gingen unabhängig von der Zahlung des Kaufpreises am 31.12.1996, 23.59 Uhr, auf den Käufer über.
Das FA lehnte es ab, der Klägerin die sog. erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu gewähren.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (EFG 2003, 950).
Entscheidung
Das ging dem BFH denn doch zu weit: Er gab der Klage unbeschadet der fehlenden Minute statt.
Hinweis
1. In dem Leitsatz wird ein Beschluss des BFH vom 17.10.2002, I R 24/01 zitiert. Dazu wurde in BFH-PR 2003, 72 u.a. ausgeführt: "Dem Begriff der Ausschließlichkeit (in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) wird (...) ein absoluter, eben "ausschließlicher" Charakter beigemessen (...). Deswegen ist die Rigidität des Gesetzes in aller Regel also hinzunehmen. Auch verfassungsrechtliche Einwendungen (,Grundsatz der Verhältnismäßigkeit") werden vom BFH verworfen."
Im Klartext: Will ein grundstücksverwaltendes Unternehmen die sog. erweiterte Gewerbeertragskürzung in Anspruch nehmen, dann muss es sich in absolut ausschließlicher Weise mit der Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes beschäftigen. Daneben dürfen nur jene wenige Ausnahmebeschäftigungen ausgeübt werden, die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG spezifisch aufgelistet sind.
2. Auch diese Klartext-Regel erfährt aber, wie der Urteilsfall zeigt, eine Ausnahme, auch wenn diese noch so klein ist: Verkauft das Grundstücksunternehmen sein einziges Grundstück um eine Minute vor Mitternacht des 31.12., dann fehlt es eben an jener einen Minute, um ausschließlich im obigen Sinn zu agieren. Der BFH war mit Blick auf die berühmte sog. juristische Sekunde aber nicht ganz so streng: Die Fahne der Ausschließlichkeit bei der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags sei zwar nach wie vor uneingeschränkt hoch zu halten. Jedoch: keine Regel ohne Ausnahme. Und eine solche sah der BFH in jener einen Minute vor Mitternacht, in der im Urteilsfall der Grundstücksverkauf über die Bühne ging. Das entspricht letztlich nur dem gesunden Menschenverstand.
3. Nicht ganz zweifelsfrei ist, ob Gleiches wie für den Ablauf des Erhebungszeitraums auch für den Beginn desselben gilt, also für den Fall, dass das Unternehmen das Grundstück am 1.1. um 0.01 Uhr erwirbt. An sich greift hier das strenge Stichtagsprinzip des § 9 Nr. 1 GewStG, so dass auch die weitere Kürzung entfiele. Die Finanzverwaltung scheint indes Gegenteiliges anzunehmen, vgl. Abschn. 59 Abs. 3 Satz 4 und Abschn. 60 Abs. 3 Satz 3 GewStR, im Ergebnis aber wohl contra legen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.8.2004, I R 89/03