Entscheidungsstichwort (Thema)
Holding-Gesellschaft, Unternehmereigenschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften stellen nur dann eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage dar, wenn sie die Ausübung von Tätigkeiten einschließen, die gemäß Artikel 2 dieser Richtlinie der Umsatzsteuer unterliegen.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 4, 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Tatbestand
Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung - Artikel 4 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie - Wirtschaftliche Tätigkeit - Eingriff einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften
In der Rechtssache C-102/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Welthgrove BV
gegen
Staatssecretaris van Financiën
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 4, 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a und 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145 vom 13. Juni 1977, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter P. Jann und L. Sevón (Berichterstatter),
Generalanwältin: C. Stix-Hackl
Kanzler: R. Grass
nachdem das vorlegende Gericht davon unterrichtet worden ist, dass der Gerichtshof beabsichtigt, gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
nachdem den in Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,
nach Anhörung des Generalanwalts,
folgenden
Beschluss
1. Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 28. April 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2000, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 4, 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a und 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145 vom 13. Juni 1977, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellten sich in einem Rechtsstreit zwischen der Welthgrove BV (nachfolgend: Welthgrove) und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) wegen der Berechtigung einer Holdinggesellschaft zum Abzug der auf Eingangsumsätze entrichteten Mehrwertsteuer.
Gemeinschaftsrecht
3. Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterwirft Lieferungen von Gegenständen sowie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer und schließt damit Tätigkeiten, die keinen wirtschaftlichen Charakter haben, vom Anwendungsbereich dieser Steuer aus. Nach Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 dieser Vorschrift genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbstständig ausübt. Der Begriff wirtschaftliche Tätigkeiten erfasst nach Artikel 4 Absatz 2 alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden und auch Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
4. Aus dem Vorlageurteil ergibt sich, dass es sich bei Welthgrove um eine Zwischenholding handelt, die Beteiligungen an einer Reihe in der Europäischen Gemeinschaft niedergelassener Gesellschaften hält, die auf dem Gebiet der Fertigung von Plastikverpackungen tätig sind.
5. Während des im Ausgangsverfahren erheblichen Zeitraums verfügte Welthgrove nicht über Personal. Die Mitglieder ihres Verwaltungsrats beschäftigten sich mit der aktiven Betreuung ihrer Tochtergesellschaften, doch erhielt Welthgrove hierfür keine Vergütung. Sie bezog jedoch von ihren Tochtergesellschaften Dividenden.
6. Im selben Zeitraum brachte Welthgrove Mehrwertsteuer über ingesamt 8 114,00 NLG in ihrer Steuererklärung zum Abzug. Da die niederländische Finanzverwaltung der Ansicht war, dass Welthgrove nicht am Wirtschaftsverkehr teilnehme und deshalb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, erhob sie diesen Betrag nach. Diese Entscheidung hat sie auf Einspruch von Welthgrove bestätigt.
7. Die Berufung von Welthgrove wurde vom Gerechtshof te 's-Gravenhage (Niederlande) abgewiesen. Der Gerechtshof bestätigte zunächst, dass W...