Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Zoll, Rückwirkend bewilligter aktiver Veredelungsverkehr, Arzneimittelherstellung, Erlass von Einfuhrzöllen

 

Normenkette

EWGV 2913/92 Art. 239 Abs. 1

 

Beteiligte

Rottendorf Pharma

Rottendorf Pharma GmbH

Hauptzollamt Bielefeld

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Beschluss vom 05.02.2020; Aktenzeichen 4 K 3554/18 Z; ZfZ 2020,, 176)

 

Tenor

Art. 239 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass zum einen ein Wirtschaftsteilnehmer die Erstattung von ihm entrichteter Zölle nur dann beantragen kann, wenn bei ihm ein besonderer Fall gegeben ist und seinerseits keine offensichtliche Fahrlässigkeit oder betrügerische Absicht vorliegt, und zum anderen die Tatsache, dass die betreffenden Waren in einen Drittstaat wieder ausgeführt worden sind, ohne in den Wirtschaftskreislauf der Union zu gelangen, nicht genügt, um nachzuweisen, dass bei diesem Wirtschaftsteilnehmer ein besonderer Fall vorlag. Gleiches gilt, wenn das der Erhebung der betreffenden Zölle zugrunde liegende Verhalten durch einen Fehler verursacht worden ist, der mit den im Datenverarbeitungssystem des Wirtschaftsteilnehmers verfügbaren Informationen zusammenhängt, sofern dieser Fehler hätte vermieden werden können, wenn der Wirtschaftsteilnehmer die in der ihm erteilten Bewilligung angeführten Voraussetzungen berücksichtigt hätte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2020, in dem Verfahren

Rottendorf Pharma GmbH

gegen

Hauptzollamt Bielefeld

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin sowie der Richter T. von Danwitz und P. G. Xuereb (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Rottendorf Pharma GmbH, vertreten durch Steuerberater H.-M. Wolffgang,
  • des Hauptzollamts Bielefeld, vertreten durch J. Rieke als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 239 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex).

Rz. 2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Rottendorf Pharma GmbH, einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland, und dem Hauptzollamt Bielefeld (Deutschland, im Folgenden: Hauptzollamt) wegen eines Antrags auf Erstattung von Einfuhrzöllen.

Rechtlicher Rahmen

Zollkodex

Rz. 3

Art. 85 des Zollkodex sieht vor, dass die Inanspruchnahme eines Zollverfahrens mit wirtschaftlicher Bedeutung, wozu nach dessen Art. 84 Abs. 1 Buchst. b auch das Zollverfahren der aktiven Veredelung gehört, einer Bewilligung durch die Zollbehörden bedarf. Nach Art. 87 Abs. 1 des Zollkodex werden in der Bewilligung die Voraussetzungen festgelegt, unter denen das betreffende Zollverfahren in Anspruch genommen werden kann.

Rz. 4

Gemäß Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

Rz. 5

Art. 239 Abs. 1 des Zollkodex lautet:

„Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben können in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle

  • werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt;
  • ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.”

Verordnung Nr. 2454/93

Rz. 6

In Art. 899 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. 1993, L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1335/2003 der Kommission vom 25. Juli 2003 (ABl. 2003, L 187, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2454/93) heißt es:

„Stellt die Entscheidungsbehörde, bei der eine Erstattung oder ein Erlass nach Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex beantragt worden ist, fest,

- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in den Artikeln 900 bis 903 beschriebenen Tatbestände erfüllen und keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so erstattet oder erlässt sie die betreffenden ...

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